Zitateraten aus dem Bereich der klassischen Musik

  • Zitat

    Immerhin mag die Wiener Hofoper jetzt mit Neid auf Stadt A blicken, wo einem in reichsdeutschen Landen noch unbekannten Komponisten aus der schönen Donaustadt dank einer wahrhaft heldenmütigen und opferfreudigen Arbeit ein Erfolg bereitet wurde, dessen Folgen sich für die Entwicklung eines Musikdramatikers von dem Schlage Komponists A kaum absehen lassen. Denn das eine wird jedem klar geworden sein: in dem neuen Werk (Werk A) offenbart sich eine solche Originalität der musikalischen Sprache und der stilistischen Ausdrucksweise, eine solch packende dramatische Gestaltungskraft und dichterische Potenz, daß man den Namen Komponists A schon heute zu den verheißungsvollsten der Moderne zählen muß.

    Der Verfasser dieser Zeilen war ein deutscher Musikkritiker.


    Gesucht sind:


    Stadt A = ?

    Werk A = ?

    Komponist A = ?


    Viel Spaß!
    Die Quellenangabe liefere ich, wenn alle drei richtig erraten sind 8 )

  • Da der gesuchte Komponist als in reichsdeutschen Landen noch unbekannt bezeichnet wird, kann es sich wohl nicht um Richard Strauss handeln. In Frage käme hingegen Hugo Wolf, dessen "Corregidor" in Mannheim uraufgeführt wurde.

  • Vielleicht wurde Hugo Wolf ja damals von dem betreffenden Kritiker als "Musikdramatiker" gesehen. Ich halte das aber für nicht so wahrscheinlich; Wolf war nun mal in der Hauptsache ein Komponist von genialen Liedern - und beim "Corregidor" als seiner einzigen Oper handelt es sich nicht um ein dramatisches, sondern um ein "komisches" Werk.


    Eine bessere Idee habe ich allerdings jetzt auch nicht. Sadko, kannst du vielleicht noch eine weitere Hilfestellung geben (oder Waldis Lösung bestätigen)?

  • Hugo Wolf ist leider nicht richtig, aber – das als Hilfestellung – der gesuchte Komponist A ist stilistisch deutlich näher bei Richard Strauss anzusiedeln als bei Hugo Wolf.

    Und ein weiterer Tipp: Die genannte Stadt Mannheim ist von der gesuchten Stadt A mit heutigen Maßstäben in etwa einer Stunde erreichbar.


    P.S. Lieber Bucorvus, herzlich willkommen im Forum!

  • Damit scheidet auch Wilhelm Kienzl aus, es bleiben nach meinem beschränkten Wissensstand noch Julius Bittner und Franz Schreker, wobei Bittner eher unwahrscheinlich ist. Also tippe ich auf Schreker und "Der ferne Klang", uraufgeführt in Frankfurt am Main.

  • Ja, genau, Du hast es richtig herausgefunden! :thumbup:


    Das vollständige Zitat lautet:

    Zitat

    Immerhin mag die Wiener Hofoper jetzt mit Neid auf Frankfurt blicken, wo einem in reichsdeutschen Landen noch unbekannten Komponisten aus der schönen Donaustadt dank einer wahrhaft heldenmütigen und opferfreudigen Arbeit ein Erfolg bereitet wurde,dessen Folgen sich für die Entwicklung eines Musikdramatikers von dem Schlage Schrekers kaum absehen lassen. Denn das eine wird jedem klar geworden sein : in dem neuen Werk offenbart sich eine solche Originalität der musikalischen Sprache und der stilistischen Ausdrucksweise, eine solch packende dramatische Gestaltungskraft und dichterische Potenz, daß man den Namen Franz Schreker schon heute zu den verheißungsvollsten der Moderne zählen muß.

    Verfasser ist Hugo Schlemüller, erschienen ist der Text am 19. August 1912 im Frankfurter General-Anzeiger.


    Schreker wurde mit der Uraufführung des Fernen Klangs am 18. August 1912 quasi über Nacht berühmt, in dieser Kritik wird ein Lokalstolz Frankfurts deutlich. Aber auch ein (heute namtlich nicht bekannter) Wiener Korrespondent des Neuen Wiener Tagblatts stellte am 25. August 1912 fest:

    Zitat

    Das Frankfurter Publikum hat der Uraufführung von Franz Schrekers Erstlingsoper Der ferne Klang eine Aufnahme bereitet, wie sie enthusiastischer selbst dem Rosenkavalier des in unserer Stadt vergötterten streitbaren Richard Strauss nicht vergönnt war.


    Beide Zitate und die Informationen sind diesem sehr empfehlenswerten Buch entnommen:




    Das ist DIE maßgebliche Franz-Schreker-Biographie (geschrieben vom gegenwärtig führenden Schreker-Experten), die es sich (trotz dem zugegeben stolzen Preis) sehr lohnt zu kaufen und zu lesen. Das Buch befasst sich nicht nur mit Schreker, sondern liefert auch zahlreiche detaillierte und durch Quellenangaben gut gestützte Informationen zu Schrekers Umfeld.


    HAILEY, Christopher: Franz Schreker (1878–1934). Eine kulturhistorische Biographie. Aus dem Englischen übersetzt von Caroline Schneider-Kliemt und Volkmar Putz. Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Wien Köln Weimar 2018. Titel der englischen Originalausgabe: Franz Schreker, 1878–1934. A cultural biography (© Cambridge University Press 1993).


    (Seiten 66, 67 und 380)

  • Das nächste Rätsel:


    Eine berühmte Sängerin (die zu erraten aber zu schwer wäre) berichtete über ihren Chef:


    X kam nie mit einer "fertig" ausgearbeiteten Regie auf die Probe. Wohl hatte er eine wichtige Szene als Mittelpunkt eines ganzen Aktes wie im Bilde vor sich; dabei ließ er aber doch auch stets die Individualität zu Worte kommen. "Machen Sie nur! ... Sehr hübsch, das gefällt mir ... Diese Stimmung will ich festhalten." Und dann steigerte er aus der mitgebrachten oder empfangenen Inspiration das Ganze, indem er alles aus seinen Anfängen weiter entwickelte. War es nötig, so machte er jeden Schritt vor, nicht damit er sklavisch nachgeahmt würde, sondern damit eine Übereinstimmung des Stils entstünde, die Gesamtstimmung festgehalten würde. - Als ich ... kam, hatte ich viel Sinn für realistische Darstellung. X hat mich darauf geführt, daß jede Oper an sich ein stilisiertes Kunstwerk ist und daß alles auf den Stil ankommt, den die Musik und die Dichtung verlangt. - Es wurde natürlich entsprechend viel geprobt. X hatte dazu immer Zeit. Er hat einzelne Szenen oft zwanzigmal, oft noch bei den letzten Orchesterproben umgestellt. Daß etwas "stand" hinderte ihn auch nach der Aufführung nicht, Änderungen vorzunehmen.

    Man kann sich vorstellen, daß sich X damit nicht nur Freunde machte. Seine Frau stellte trocken fest: Sein Egoismus war vollkommen naiv, und er wäre furchtbar erschrocken, wenn er ihn erkannt hätte.. X wurde das später offenbar tatsächlich bewußt, sodaß er sich nach Holland begab, um dort psychiatrische Hilfe in Anspruch zu nehmen (sein - bekannter - Psychiater war aber kein Holländer). Eine große Komposition dieser Zeit widmete er dann seiner Gattin, die selbst komponiert hatte und ihn beim Instrumentieren unterstützte.


    Wer ist X?

  • Die Frankfurter haben auch in den darauf folgenden Jahren Schreker-Werke uraufgeführt:

    1913 Das Spielwerk und die Prinzessin

    1918 Die Gezeichneten

    1920 Der Schatzgräber

    Genau, wobei die Uraufführung des Spielwerks eine Doppel-Uraufführung war und gleichzeitig auch in Wien stattand. Frankfurt war übrigens auch der Ausgangspunkt der Schreker-Renaissance, 1979 mit den Gezeichneten in der Inszenierung von Hans Neuenfels bzw. unter dem Dirigat von Michael Gielen. 2002 war der Schatzgräber in Frankfurt zu hören. Und vor wenigen Tagen (am 5., 11., 17., 19. und 24. Feb. 2023) gab es dort erneut die Produktion des Fernen Klangs zu sehen, die 2019 Premiere hatte.

  • Wer ist X?

    Hmm, aufgrund der Information, dass die Frau des Gesuchten auch selbst komponierte und ihr eine große Komposition gewidmet wurde, würde ich tippen, dass X Gustav Mahler ist (und es sich bei der besagten Komposition um dessen 8. Symphonie handelt)? :/

  • Alles richtig! Gratulation zur schnellen Lösung! :thumbup:


    Zitiert habe ich nach der Mahler-Biographie von Wolfgang Schreiber (rowohlts monographien), 24.Auflage, 2011.


    Der Psychiater war übrigens niemand anderer als Sigmund Freud.

  • Gezeichneten

    Da wären unbedingt noch die Salzburger Festspiele 2005 zu erwähnen. Inszenierung Nikoaus Lehnhoff, Dirigent Kent Nagano. Mit Robert Hale und Anne Schwanewilms u.a. Das war großartig!


    Gibt es auf youtube

    "Es gibt kein richtiges Leben im falschen." (Theodor W. Adorno)

  • Alles richtig! Gratulation zur schnellen Lösung! :thumbup:

    Danke für das interessante Zitat! Dass Mahler so genau war, passt ins Bild, das ich von ihm habe -- aber ohne Deinen zusätzlichen Hinweis mit der Gattin des Gesuchten hätte ich die Lösung sicher nicht so schnell gefunden.

    Von welcher Sängerin stammt denn das Zitat?


    Da wären unbedingt noch die Salzburger Festspiele 2005 zu erwähnen.

    Danke für die Ergänzung! Ich kenne die Aufzeichnung leider noch nicht (aber super, dass sie auf Youtube vorhanden ist!); ein Freund von mir, der damals am 1. August 2005 live vor Ort war, hat mir berichtet, dass Brubaker und Schwanewilms ausgezeichnet waren, Volle solide, Nagano allerdings eher kühl und soll stellenweise mitgesungen haben. Aber wie gesagt, ich kann es selbst nicht beurteilen.


    Ich halte Schreker für einen ausgezeichneten Komponisten, und gerade die „Gezeichneten“ liegen mir sehr am Herzen (ich habe sie 2017+2018 in München und 2018 in der Komischen Oper Berlin gesehen). Im Mai/Juni 2023 gibt es in Bonn den „Singenden Teufel“ (für aktuelle Schreker-Infos siehe hier), aber ich fürchte, mir ist das zu weit. Mal schauen.


    Wie ist Eure Meinung zu / Erfahrung mit Schreker?

  • Wie schon gesagt, "Die Gezeicheten" in Salzburg haben mir sehr gut gefallen. Die Musik ist (wie später bei Strauss) typisch spätromantisch, großes Orchester und üppiger Klang, sehr gefühlsbetont und schwelgerisch. Und das paßte ja zum Lebensgefühl dieser Zeit. An irgendwelche "Reißer", die einem lange im Gedächtnis bleiben, kann ich mich allerdings nicht erinnern.

    "Es gibt kein richtiges Leben im falschen." (Theodor W. Adorno)

  • Wie schon gesagt, "Die Gezeicheten" in Salzburg haben mir sehr gut gefallen. Die Musik ist (wie später bei Strauss) typisch spätromantisch, großes Orchester und üppiger Klang, sehr gefühlsbetont und schwelgerisch. Und das paßte ja zum Lebensgefühl dieser Zeit. An irgendwelche "Reißer", die einem lange im Gedächtnis bleiben, kann ich mich allerdings nicht erinnern.

    Ja, danke für die Erläuterung! Die „Gezeichneten“ finde ich von Schrekers mir bekannten Werken auch am besten. Natürlich passt die, wie Du schreibst, gefühlsbetonte und schwelgerische, durchaus auch sinnliche Musik nicht zum Uraufführungsjahr 1918, aber ja, vielleicht war dieses Stück mit einer Handlung, die ja die Aura des Verbotenen mehr als streift, genau deswegen so beliebt nach der Uraufführung. Auch das Orchestervorspiel finde ich ganz wunderbar; eine etwa doppelt so lange, für den Konzertsaal gedachte, Version gibt es ja als „Vorspiel zu einem Drama“.

    Ich will noch erwähnen, dass Schreker das zugehörige Libretto ja für Zemlinsky geschrieben hat, aber sich, soweit ich weiß, während des Verfassens immer klarer wurde, dass er den Text selbst vertonen muss, weil er sich selbst in der hässlichen und sich immer selbst im Weg stehenden Figur des Alviano wiederfand. (Auch Zemlinsky hat ja die Tragödie des hässlichen Menschen vertont, nämlich in seinem „Zwerg“.)

    Schön, dass Du damals in Salzburg dabei warst!


    Der Bericht über Mahlers Regie-Gewohnheiten stammt von Maria Gutheil-Schoder.

    Danke für die Information! Die Gutheil-Schoder-Gasse im Süden Wiens kannte ich sogar, auch wenn mir die Sängerin nichts sagte. Schön, wenn Persönlichkeiten der Kulturszene in Straßennamen verewigt sind und dadurch weniger leicht vergessen werden.

  • Zitat
    Jedenfalls haben Sie noch nichts Schöneres und Geschlosseneres in Ihrem Leben gedichtet und ich rechne es mir zum Verdienst, Sie durch unsere gemeinsame Arbeit dazu gebracht zu haben. Hoffentlich wird meine Musik Ihrer schönen Dichtung würdig. Ich bin bis jetzt noch sehr unzufrieden mit mir, habe allerdings meine Ansprüche an mich sehr hoch gesteigert, aber bis jetzt entspricht das Geschaffene nur teilweise meinen Erwartungen.
    [...] Jedenfalls haben Sie tausend Dank für alles, und hoffentlich bekomme ich nun auf diesen unheilschwangeren, höchst dramatischen zweiten Akt einen schönen lyrischen, auslautenden, schwungvollen dritten.


    Gesucht sind:


    A = der Verfasser dieses Briefes,

    B = der Adressat dieses Briefes, und

    C = die Oper, um die es geht.

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