Adalbert STIFTER - Von der Romantik zur objektivierten Ewigkeit

  • Bucorvus, der dieses Thema angeregt und ursprünglich auch selbst beginnen wollte, hat mich gebeten, statt seiner den Einstieg in das Wesen und Wollen eines der bedeutendsten Künstler des 19.Jahrhunderts zu unternehmen. Ich will es versuchen, kann aber nur Anstöße geben, Stifters vielfältiges Schaffen wenigstens teilweise zu erfassen.


    Adalbert Stifter wurde 1805 in Oberplan (heute Horní Planá) im Böhmerwald nahe der österreichischen Grenze als Sohn eines Leinewebers und Garnhändlers geboren. Durch einen Unfall seines Vaters früh zur Halbwaise geworden wuchs er in bäuerlicher aber bildungsbeflissener Umgebung auf. 1818-26 absolvierte er das Stiftsgymnasium Kremsmünster. Die aufgeklärte Weltsicht und die reichen naturwissenschaftlichen, technischen und Kunstsammlungen der Benediktiner (der sogenannte Mathematische Turm der Abtei bietet auch noch heute eine der faszinierendsten Kollektionen neuzeitlichen Bildungsstrebens) prägten das breit gefächerte Talent des jungen Stifter und weckten in ihm künstlerische Ambitionen. 1826 wechselte er nach Wien und begann ein Jus-Studium, das er durch eine Tätigkeit als Hauslehrer finanzierte. Erste literarische Versuche standen zunächst noch hinter dem Wunsch zurück, eine Karriere als Maler zu erzielen, doch verschob sich der Akzent im Lauf der der Jahre immer mehr zur Dichtung hin. Eine unglückliche Liebe warf Stifter zeitweise aus der Bahn und führte zum Abbruch des Studiums. 1837 flüchtete er in eine Ehe, die er nach außen hin als glücklich darstellte, die aber vermutlich mehr partnerschaftlich charakterisiert war. Die Ehe blieb kinderlos, eine als Ziehtochter angenommene Nichte erwies sich als extrem schwierig und unbändig und ertrank unter ungeklärten Umständen in der Donau. Stifters Gattin erwies sich als verschwenderisch, umsorgte ihn aber auch unermüdlich. Seit 1841 nahm Stifter seine Tätigkeit als Hauslehrer und Erzieher wieder auf. Als solcher war er in adeligen Kreisen hochangesehen. Sein bekanntester Schüler war (der spätere Diplomat und Gatte der berühmten Fürstin Pauline) Richard Metternich, der Sohn des Staatskanzlers. 1848 übersiedelte der liberal eingestellte aber Gewalt ablehnende Stifter der Revolutionswirren wegen nach Linz, wo er 1853 zum Schulrat (Landesschulinspektor) und (Landes-)Konservator für Oberösterreich ernannt wurde. Hier entfaltete er ein verdienstvolles Wirken, das sich unter anderem mit dem berühmten Kefermarkter Altar, dem historischen Stadtbild von Steyr, dem Oberösterreichischen Kunstverein und der Oberösterreichischen Landesgalerie verband. Im sechsten Lebensjahrzehnt begann Stifter, der im realen Leben ein ziemlich unmäßiger Gourmet war, zu kränkeln. 1866 wurde er unter Verleihung des Hofratstitels pensioniert. Als die Schmerzen infolge seiner Leberzirrhose unerträglich wurden, unternahm er 1868 einen fehlgeschlagenen Selbstmordversuch, der das kurz darauf folgende Ende zwar nicht verursachte, aber sicher beschleunigte.


    Ohne seine Persönlichkeit damit vollständig beschreiben zu können, lassen sich vier Hauptaspekte hervorheben:


    1. Adalbert Stifter, der Pädagoge

    2. Adalbert Stifter, der Denkmalpfleger und Kunstfreund

    3. Adalbert Stifter, der Maler

    4. Adalbert Stifter, der Schriftsteller


    Wenngleich für die Nachwelt natürlich das Bewußtsein des schriftstellerischen Werks dominiert, so muß man sich doch hüten, hier allzu einseitig zu gewichten, denn letztlich sind diese Facetten miteinander unzertrennlich verbunden.


    Der Pädagoge:


    Hier sind sich alle Berichte ziemlich einig, daß Stifter dafür nicht nur begabt, sondern auch sehr erfolgreich war. Ich selbst verkehrte in meiner Jugend sporadisch mit einer alten Dame aus Linz, die ihrerseits wieder als junge Frau eine Bekannte besaß, die Stifter noch selbst in seiner Tätigkeit als Schulrat erlebt hatte und ein sehr günstiges Urteil über ihn abgab. Er war ein klassischer Vertreter des Humboldtschen Bildungsideals.


    Der Denkmalpfleger:


    Nicht ganz zu Recht konzentriert sich das Interesse meist nur auf Stifters Initiative zur Restaurierung des Kefermarkter Altars (die auch in verbrämter Form Eingang in den "Nachsommer" gefunden hat). Er verpflichtete dafür den Holzbildhauer Johann Rint, einen der bedeutendsten Kunstschnitzer des 19.Jahrhunderts, und dessen Sohn Josef, der - künstlerisch weniger herausragend - ein vorzüglicher Techniker und spezialisierter Handwerker war. Natürlich standen die angewandten Restaurierungsmethoden teils in Gegensatz zu den gegenwärtigen Kenntnissen, aber für damalige Verhältnisse sind sie überwiegend als auf der Höhe der Zeit einzustufen, und die theoretischen Maximen Stifters gelten mehrheitlich noch heute.


    Der Maler:


    Stifters Bedeutung in diesem Bereich wird außerhalb von Fachkreisen noch immer unterschätzt. Hätte er eine angemessene professionelle Ausbildung erhalten, würde sein Name wohl zu den berühmtesten der österreichischen Kunstgeschichte zählen. Vordergründiger Realismus war nicht seine Sache. Beachtung verdienen neben seinen bemerkenswerten protoimpressionistischen Bildern (z.B. "Blick über Wiener Vorstadthäuser", 1839, Wien, Österreichische Galerie Belvedere) auch die symbolischen Landschaften ("assoziationsträchtige Stimmungsbilder"), seine Versuche, Phänomene wie Bewegung und Wolkenformationen künstlerisch zu erfassen (mit denen er sich in eine gesamteuropäische Tendenz einordnet). Diesbezüglich hat Stifter nicht das erreicht, was er wollte, was ihm vollkommen bewußt war. Er sublimierte dies in literarischer Form in den "Nachkommenschaften".

    Grundlegend bleibt die Monographie von Fritz Novotny, Adalbert Stifter als Maler, 1941 und öfter. Einführende Information und weitere Literaturhinweise bietet Band 5 der Geschichte der bildenden Kunst in Österreich, hg. von Gerbert Frodl, 2002.


    Der Schriftsteller:


    Ein mehr als weites Feld und das wichtigste Werk, das uns Stifter hinterlassen hat. Vom Jean-Paul-mäßigen Novellisten zum Epiker, der die universale göttliche Ordnung anstrebt, spannt sich ein OEuvre, in dem entgegen landläufiger Klischeevorstellungen sich auch Dramatik und Humor kundtun. Seine oft gepriesenen Naturschilderungen sind nur ein Teil seines literarischen Vermögens. Das berühmte "sanfte Gesetz" ist das Gesetz der Gerechtigkeit und der Sitte. Er schildert "den Menschen in der Gemeinschaft und der Natur" und läßt "den Grundriß einer Weltordnung erkennen,, in der das sittliche Gesetz das ewige Fundament bildet" (W.Grabert/A.Mulot, Geschichte der deutschen Literatur,1959).

    Seine Erzählungen können hier in der Einführung nicht gewürdigt werden, sie bedürfen eingehenderer Beschäftigung. Kurz aber sei auf seine Romanwerke hingewiesen: "Der Nachsommer", 1857, und "Witiko", 1867. "Der Nachsommer" ist ein Entwicklungsroman, die reinste Verkörperung des Biedermeier-Ideals (die einengende Interpretation des des nur ursprünglich pejorativen Begriffs auf kleinbürgerliche Beschränktheit ist längst veraltet - der Biedermeier-Modus verschmilzt traditionelle adelige mit bürgerlichen Idealen einer besseren Welt). "Witiko" versucht angesichts einer immer zerrissener und hektischer anmutenden Welt, in der die Orientierung gefährdet scheint, ein Idealbild systemisierter humaner Ordnung zu kreieren, das sich äußerlich in einer teils bis zur Formelhaftigkeit gesteigerter Formstrenge kundtut (eine Parallele zum Strengen Historismus in der bildenden Kunst und Architektur), für uns ohne entsprechende Kenntnis der zeitgenössischen Rahmenbedingungen begreiflicherweise meist schwer verständlich. "Stifter sah nun als Epiker die Welt von oben und nicht, wie einst als Novellist, von unten her, voll Liebe zum Kleinen." (Ernst Alker: Die deutsche Literatur im 19.Jahrhundert, 31969)



    Adalbert Stifter mag im 21.Jahrhundert nicht mehr ganz "in" sein, doch das war auch schon früher einmal so. Sein Lebenswerk wird es überleben wie das humanistische Ideal, das in unserem Bildungswesen so bedauerlich vernachlässigt wird, dem aber - wie ich glaube - auch unser Forum letztlich dient, und in dem Stifter deshalb besondere Aufmerksamkeit verdient.

  • Wie schön, dass Sie an Stifter erinnern! Man kann ihn als ein Therapeuticum gegen die Hektik, Unruhe und Unbeständigkeit unserer Zeit verstehen. Seine Erzählungen sind oft von einer großen monumentalen Stille.

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    Umfasste das griechische Kunstwerk den Geist einer schönen Nation, so soll das Kunstwerk der Zukunft den Geist der freien Menschheit über alle Schranken der Nationalitäten hinaus umfassen; das nationale Wesen in ihm darf nur ein Schmuck, ein Reiz individueller Mannigfaltigkeit, nicht eine hemmende Schranke sein.
    (R. Wagner, Kunst und Revolution,1849)

  • Für den ebenso ausführlichen wie kompetenten Eröffnungsbeitrag bedanke ich mich sehr, lieber Waldi!


    Mein Interesse für Stifter wurde auf dem Gymnasium geweckt, und zwar durch meinen trotz seines Doktortitels nur mäßig kompetenten Deutschlehrer. Er bezeichnete Stifters Bücher in ein paar nebenbei hingeworfenen Sätzen als "heutzutage nicht mehr genießbar" und provozierte damit sofort meinen damals noch viel stärker als jetzt entwickelten Widerspruchsgeist. Ich zog die Reclam-Ausgabe von "Brigitta" aus dem Regal meiner Eltern, um sie im verhassten Mathematikunterricht unter dem Tisch zu lesen ("Was liest du denn da!?" - "Stifter!" - "Aaaach, Stifter....!"), und das, was ich las, fand ich alles andere als ungenießbar. Mir gefiel die Novelle, und ich habe mir dann später noch weitere Erzählungen von Stifter wie "Der Condor" oder "Das Heidedorf" vorgenommen.


    An den "Nachsommer" habe ich mich aber über Jahrzehnte nicht herangetraut, bis ich nach der Lektüre von Ernst Bertrams Nietzsche-Buch, in dem ein ganzes Kapitel mit "Nachsommer" überschrieben ist (Nietzsche hat Stifters Roman sehr geliebt, was auf den ersten Blick etwas erstaunlich anmutet) die Zeit für reif befand, um mich an den großen Schinken zu wagen.


    Von den ersten Sätzen an hat mich der "Nachsommer" durch seinen Gedankenreichtum und seine entschleunigende Wirkung (siehe auch Hagens obenstehenden Beitrag!) in den Bann gezogen. Stifter nimmt sich Zeit ohne Ende, um alle möglichen und unmöglichen Details zu schildern, was Friedrich Hebbel enorm auf die Palme gebracht hat:


    "... Was wird hier nicht Alles weitläufig betrachtet und geschildert; es fehlt nur noch die Betrachtung der Wörter, womit man schildert, und die Schilderung der Hand, womit man diese Betrachtung niederschreibt, so ist der Kreis vollendet.“


    Mir hingegen haben die oft mit großer Sprachkunst vorgenommenen Beschreibungen dabei geholfen, mich aus einer mit dem negativen Lebensgefühl der beständigen Zeitnot durchzogenen Gegenwart wenigstens für die Stunden der Lektüre zu befreien. Und der gesunde Konservatismus Stifters (im "Nachsommer" ist die Bewahrung von wertvollen Dingen aus der Vergangenheit immer wieder ein Thema) entspricht meiner eigenen inneren Konstitution ganz besonders. Trotzdem muss ich gestehen, dass ich für das Buch insgesamt etwa ein Jahr gebraucht habe. Vor allem auf längeren Bahnreisen, die ich aber nur selten unternommen habe, bin ich mit der Lektüre richtig weitergekommen.


    Damit ich nicht den dicken Wälzer, in dessen Form der Roman über Jahrzehnte in meinem Bücherregal stand, im Rucksack durch die Gegend schleppen musste, habe ich mir ziemlich bald die Reclam-Ausgabe bestellt und später an meine Mutter, die trotz ihrer Demenz einige hundert Seiten weit gekommen ist, weiterverschenkt. Bei einem ihrer Krankenhausaufenthalte ist das Reclam-Bändchen leider verschütt gegangen, was wegen des meiner Erinnerung nach ausgezeichneten Nachworts schade ist beziehungsweise schade war, denn ich habe die Ausgabe heute noch einmal nachgeordert, um übermorgen eventuell noch ein paar Bemerkungen aus dem Nachwort aufs Tapet bringen zu können.


    Noch kurz zu Stifter im Allgemeinen: Waldi hat meines Erachtens sehr berechtigt darauf hingewiesen, dass Stifter als Maler nach wie vor unterschätzt wird. Ich bin kein Fachmann, aber trotzdem gefallen mir einige seiner Bilder ausgesprochen gut! Und auch für Musik hatte Stifter, der offenbar in jungen Jahren Klarinette gespielt hat, ein sehr reges Interesse, wie wir ja kürzlich im Rätselthread gesehen haben. Alles in allem besaß er so umfassende Begabungen, wie sie in dieser Form nur ganz selten auftreten. Dass er mittlerweile nur noch von kleinen bis kleinsten Kreisen gelesen wird, ist ebenso schade wie bezeichnend für die Jetztzeit.

  • Leider kenne ich von Adalbert Stifter nur "Bergkristall". Das habe ich in Jugendjahren gelesen.

    Umso mehr bedanke ich mich für die kenntnisreichen Beiträge meiner Vorredner.

    Es ist eine Anregung für mich, weitere Werke anzugehen. Da mir in Kürze ein Reha-Aufenthalt bevorsteht ☹️, habe ich vielleicht die Muße dazu.

    Trotzdem muss ich gestehen, dass ich für das Buch insgesamt etwa ein Jahr gebraucht habe.

    Fast so lange habe ich für den "Don Quichote" gebraucht. Die ungekürzte Ausgabe mit sämtlichen Fußnoten...

    "Es gibt kein richtiges Leben im falschen." (Theodor W. Adorno)

  • Fast so lange habe ich für den "Don Quichote" gebraucht.

    Aber diese Zeit sich zu nehmen, hat sich sicher gelohnt. Es ist ein so wunderbares und reiches Werk.

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    Umfasste das griechische Kunstwerk den Geist einer schönen Nation, so soll das Kunstwerk der Zukunft den Geist der freien Menschheit über alle Schranken der Nationalitäten hinaus umfassen; das nationale Wesen in ihm darf nur ein Schmuck, ein Reiz individueller Mannigfaltigkeit, nicht eine hemmende Schranke sein.
    (R. Wagner, Kunst und Revolution,1849)

  • Bei den Erzählungen würde ich für den Einstieg nicht die "Bunten Steine", sondern die "Studien" empfehlen. Dabei ist darauf zu achten, daß Stifter lebenslang an seinen Texten feilte. Editionen der Erstdrucke sind daher eher für den Fachmann interessant, Ausgaben letzter Hand sind für Normalverbraucher zu bevorzugen.

    Für eine Reha-Zeit ist der "Nachsommer" natürlich bestens geeignet, wobei ich gerne zugebe, daß das eine sehr persönliche Empfindung ist. Ich habe den Roman auch manchmal gelesen, um Schreibblockaden zu lösen. Hat immer funktioniert.

  • Zu empfehlen wäre nach meiner persönlichen Einsschätzung auch "Der Hochwald", eine Lektüre, die durch die Darstellung der Natur viel Ruhe ausstrahlt und bewirkt, meine ich.

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    Umfasste das griechische Kunstwerk den Geist einer schönen Nation, so soll das Kunstwerk der Zukunft den Geist der freien Menschheit über alle Schranken der Nationalitäten hinaus umfassen; das nationale Wesen in ihm darf nur ein Schmuck, ein Reiz individueller Mannigfaltigkeit, nicht eine hemmende Schranke sein.
    (R. Wagner, Kunst und Revolution,1849)

  • Der "Hochwald", eine der berührendsten Schöpfungen Stifters, ist Teil der "Studien", die folgende Erzählungen beinhalten:


    Der Condor

    Feldblumen

    Das Haidedorf

    Der Hochwald

    Die Narrenburg

    Die Mappe meines Urgroßvaters

    Abdias

    Das alte Siegel

    Brigitta

    Der Hagestolz

    Der Waldsteig

    Zwei Schwestern

    Der beschriebene Tännling


    Die Sammlung "Bunte Steine" umfaßt:


    Granit (Der Pechbrenner)

    Kalkstein (Der arme Wohltäter)

    Turmalin (Der Pförtner im Herrenhause)

    Bergkristall (Der heilige Abend)

    Bergmilch (Wirkungen eines weißen Mantels)

    Katzensilber


    Nicht enthalten in den obigen Sammlungen:


    Prokopus

    Die drei Schmiede ihres Schicksals

    Der Waldbrunnen

    Die Nachkommenschaften

    Der Waldgänger

    Der fromme Spruch

    Der Kuß von Sentze

  • Hoffentlich eine Wahl ohne Qual!

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    Umfasste das griechische Kunstwerk den Geist einer schönen Nation, so soll das Kunstwerk der Zukunft den Geist der freien Menschheit über alle Schranken der Nationalitäten hinaus umfassen; das nationale Wesen in ihm darf nur ein Schmuck, ein Reiz individueller Mannigfaltigkeit, nicht eine hemmende Schranke sein.
    (R. Wagner, Kunst und Revolution,1849)

  • Ich habe Vergleichende Literaturwissenschaft studiert und mir ist Stifter weder im Gymnasium noch an der Universität je begegnet. Den Namen kenne ich natürlich, habe aber nie etwas von ihm gelesen- es gab einfach keine Anregung und Motivation. Da sieht man, welchen Einfluss Lehrer und Professoren haben! Lange Werke haben mich nie geschockt: Proust Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Joyce Ulysses, Dante Divina Commedia- Alles hab ich von vorne bis hinten durchstudiert. Es kommt also darauf an, was angeboten, empfohlen, vermittelt wird. Dazu gehört e Stiftet im Deutschland der 80iger Jahre ganz offensichtlich nicht. Es ist sehr schön zu lesen, wie respekt- und fast liebevoll ihr Stifter vorstellt. Da ich noch etliche Bücher auf Vorrat habe und im Moment den 600 Seiten Roman Veiller sur elle( diesjähriger Prix Goncourt) lese, wird es dauern, bis Stifter an die Reihe kommt. Erstmal eine Erzählung denke ich. Und hoffe, dass ihr mir die Beste empfehlen werdet. Waldi kennt mich ja schon lange und hat vielleicht eine kompatible Idee? Die Einführung ist übrigens professionell- danke für diese tolle Arbeit für das Forum.

    O Mensch, lerne singen und tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel nichts mit Dir anzufangen .

  • Liebe schlafwandelnde Feenkönigin,


    Die "Feldblumen" haben einen naiven Reiz, aber vielleicht mag ich sie auch deshalb, weil ich die Landschaft um den Almsee, der eine gewisse Rolle in der Novelle spielt, gut kenne und liebe.

    "Die Mappe meines Urgroßvaters" ist eine der schönsten und reifsten Erzählungen Stifters (an der er besonders viel verändert hat).

    "Abdias" besitzt eine tragische Eindringlichkeit, die man dem "sanften" Dichter kaum zutrauen würde, wenn man ihn nicht kennt.

    "Der Waldsteig" spricht mich in seiner lächelnden Ironie an.


    Und jetzt habe ich das Gefühl, wenn ich den "Hochwald" und "Brigitta" oder die "Narrenburg" und und und...nicht auch empfehle, dann müßte ich mich eigentlich ohrfeigen...

  • Stifter und die Musik:


    Als Kind erlebte Stifter in Oberplan eine Aufführung von Haydns "Schöpfung", die ihn lebenslang prägte. Sein Lieblingskomponist war aber Mozart. Zur italienischen Oper (Rossini, Donizetti) fand er hingegen überhaupt kein Verhältnis. Den Streichermusikabenden in den Wiener Salons stand er distanziert gegenüber. Da war ihm zuwenig Seele und zu viel bloße Notenzelebration dabei.


    Lit:: Norbert Miller. Stifter und die Musik, in: C.Begemann/D.Giurato (hg.), Stifter-Handbuch, 2017

  • Danke, lieber Waldi, für alle diese interessanten Informationen und Sichtweisen zu Stifter! Das macht Lust, wieder was von ihm zu lesen. Nur habe ich derzeit die Zeit und Ruhe dafür nicht. Der Tag hat ja bekanntlich nur 48 Stunden und die Woche 14 Tage. Aber durch Ihren Anstoß erinnere ich mich gerade gerne an einige Stifter-Lektüren der Vergangenheit.

    Ich denke, er ist verkannt und als unzeitgemäß ins Abseits geschoben worden. Es lohnt sich, ihn da wieder herauszuholen. Das teilt er mit dem großen Jean Paul, der auch nur noch eine Leserschaft von ca. 200 Personen hat, wie ich mal im Umkreis der Jean - Paul - Gesellschaft gehört habe.

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    Umfasste das griechische Kunstwerk den Geist einer schönen Nation, so soll das Kunstwerk der Zukunft den Geist der freien Menschheit über alle Schranken der Nationalitäten hinaus umfassen; das nationale Wesen in ihm darf nur ein Schmuck, ein Reiz individueller Mannigfaltigkeit, nicht eine hemmende Schranke sein.
    (R. Wagner, Kunst und Revolution,1849)

  • Sein Lieblingskomponist war aber Mozart.

    Das kann ich mir gut vorstellen, weil bei Mozart Heiterkeit und Tiefe untrennbar verbunden sind.

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    Umfasste das griechische Kunstwerk den Geist einer schönen Nation, so soll das Kunstwerk der Zukunft den Geist der freien Menschheit über alle Schranken der Nationalitäten hinaus umfassen; das nationale Wesen in ihm darf nur ein Schmuck, ein Reiz individueller Mannigfaltigkeit, nicht eine hemmende Schranke sein.
    (R. Wagner, Kunst und Revolution,1849)

  • Einer, der Mozart liebt, ist mir doch per se sympathisch. Allerdings weiß ich immer noch nicht, was mein bester Einstieg ist. Die Qual der Wahl…. Mal sehen, was ich am Leichtesten finde. Da ich Hörbücher liebe, fang ich eventuell damit an. Scheint ja eher meditative Lektüre zu sein, wenn ich die Kenner richtig verstehe.

    O Mensch, lerne singen und tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel nichts mit Dir anzufangen .

  • Scheint ja eher meditative Lektüre zu sein, wenn ich die Kenner richtig verstehe.

    Meditativ ist die Lektüre nur, wenn man sie entsprechend liest. ;)

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    Umfasste das griechische Kunstwerk den Geist einer schönen Nation, so soll das Kunstwerk der Zukunft den Geist der freien Menschheit über alle Schranken der Nationalitäten hinaus umfassen; das nationale Wesen in ihm darf nur ein Schmuck, ein Reiz individueller Mannigfaltigkeit, nicht eine hemmende Schranke sein.
    (R. Wagner, Kunst und Revolution,1849)

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