Opernberichte der Saison 2023/24

  • Mi., 22. November 2023: WIEN (Theater an der Wien in der Halle E des Museumsquartiers): Jaromír Weinberger, Schwanda, der Dudelsackpfeifer / Švanda dudák

    Über die Ankündigung der Aufführungen von Weinbergers „Schwanda“ im Theater an der Wien (bzw. in der Ausweichspielstätte im Museumsquartier) habe ich mich sehr gefreut, doch leider konnte die heutige Aufführung in gar keiner Weise die Erwartungen einlösen, denn dafür hätte man sowohl bessere Sänger als auch eine viel bessere Inszenierung gebraucht, überdies einen akustisch erfreulicheren Saal. Die erfreuliche Tatsache, dass in deutscher Sprache gesungen wurde (und zwar in der „klassischen“ Übersetzung von Max Brod), konnte leider nicht verhindern, dass der Abend durchgehend langweilig und belanglos geriet – und für eine lustige Oper ist das eine denkbar unerfreuliche Bilanz.


    Jetzt bin ich schon bei der Besprechung der Inszenierung, viel zu besprechen gibt es allerdings nicht: Der Regisseur Tobias Kratzer (Bühne und Kostüme von Rainer Sellmaier) entschied sich, die Handlung in das Wien der Gegenwart zu transferieren (das steht auch auf Seite 35 des Programmhefts), was ja schon grundsätzlich problematisch ist, weil ein Dudelsackpfeifer nicht dem gängigen heutigen Stadtbild angehört, allerdings ist unverzeihlich, dass ALLE (wirklich: ALLE) lustigen Pointen des Stückes entsorgt wurden. Wenn der Regisseur „gerade auch den tiefenpsychologischen Abgründen dieser Märchenwelt für Erwachsene nach[spüren]“ wollte (so steht es auf der Homepage), ist das jedenfalls gewaltig daneben gegangen, denn die Figuren stolperten unmotiviert herum, und von tiefenpsychologischen Abgründen ist genauso wenig zu merken wie von Heiterkeit (außer man will die zwei eindeutigen Sexszenen als die Darstellung tiefenpsychologischer Abgründe verbuchen). Mit einem Wort: langweilig. Das Stück wurde hier ganz offensichtlich massiv unter seinem Wert verkauft – was hätte man alles daraus machen können!


    Die Inszenierung war das Hauptproblem des Abends, allerdings ließ auch die musikalische Umsetzung einiges zu wünschen übrig: Schon wenn man sich die Ouvertüre auf Youtube anhört, gewinnt man einen ganz anderen Eindruck (denn dann ist das spritzige und lebendige Musik!) als von der heutigen Aufführung, ich mutmaße allerdings, dass das den akustischen Gegebenheiten und nicht den Wiener Symphonikern unter ihrem designierten Chefdirigenten Petr Popelka anzulasten ist: Der Orchesterklang war miserabel, ich glaube auch, dass ein akustischer Nachhall technisch produziert wurde.


    Die Sängerleistungen kann ich aufgrund meiner Unkenntnis des Stückes (leider habe ich die Grazer Produktion der Saison 2021/22 verpasst) nur streifen, aber ich kann festhalten, dass mir Vera-Lotte Boecker als Dorota mit Abstand am besten gefallen hat (wenngleich ihre höhensichere und glanzvollere Stimme an einem Haus mit besserer Akustik natürlich besser zur Geltung kommt, wobei diese Einschränkung natürlich für auch für alle anderen Sänger gilt); die Stimme von Andrè Schuen (den ich heute erstmals gehört habe) ist mir zu dumpf und glanzlos; Pavol Breslik war als Babinsky (und diese Rolle ist ja die eigentliche Hauptrolle) ein Totalausfall aus den Breslik-typischen Gründen; Ester Pavlů war eine stimmlich eher scharfe, aber trotzdem gute Königin; der in Wien wohlbekannte Sorin Coliban (Magier) zeigte heute einen stimmlichen Wackler; Krešimir Stražanac war aufgrund seines harten und trockenen Timbres kein überzeugender Teufel; und über die Kleinrollendarsteller (Miloš Bulajić, Henry Neill, Iurie Ciobanu) schweige ich vornehm.


    In jedem Fall: eine verschenkte Chance – trotz der (glücklicherweise) deutschen Sprache der Aufführung. Es ist unfassbar, wie langweilig man eine lustige Oper inszenieren kann. Und etwas gefrotzelt fühle ich mich vom Satz „Wir weisen darauf hin, dass es in dieser Inszenierung von Schwanda, der Dudelsackpfeifer zur Darstellung sexueller Inhalte kommt. Diese Darstellungen sind simuliert und wurden mit höchstem Respekt sowie mit fachkundiger Unterstützung einer Intimitätskoordinatorin umgesetzt.“, der gut sichtbar auf der Homepage und im Programmheft prangt: Gibt es wirklich einen einzigen Besucher, der glaubt, dass Sexszenen im Theater NICHT simuliert wären?

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