Darüber würde ich mich freuen! Für heute wünsche ich eine gute Vorstellung! Ich selbst sitze momentan im Zug nach Brünn (der Zug steht zwar schon minutenlang irgendwo, aber ich habe 45 Minuten Zeitpolster, um die Aufführung bequem zu erreichen).

Opernberichte der Saison 2023/24
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Darüber würde ich mich freuen! Für heute wünsche ich eine gute Vorstellung! Ich selbst sitze momentan im Zug nach Brünn (der Zug steht zwar schon minutenlang irgendwo, aber ich habe 45 Minuten Zeitpolster, um die Aufführung bequem zu erreichen).
Na dann wünsche ich flottes Vorwärtskommen.Viel Vergnügen.Was wird gespielt?
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Danke! Nach einem etwa 20minütigen Halt in Wien Süßenbrunn geht es seit zehn Minuten wieder weiter, es wird sich aller Voraussicht nach ausgehen!
Das "Schlaue Füchslein" (meine Lieblingsoper), ich freue mich schon sehr. Einen Bericht stelle ich dann am frühen Abend ins Forum.
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Danke! Nach einem etwa 20minütigen Halt in Wien Süßenbrunn geht es seit zehn Minuten wieder weiter, es wird sich aller Voraussicht nach ausgehen!
Das "Schlaue Füchslein" (meine Lieblingsoper), ich freue mich schon sehr. Einen Bericht stelle ich dann am frühen Abend ins Forum.
Na Gott sei Dank. Ich liebe Janacek auch sehr. War noch nie in Brünn in der Oper. Sollte ich mal demnächst ausprobieren. Ist ja von St.Pölten nur ein "Katzensprung".
Alles Liebe, freue mich auf Ihren Bericht!
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Das kann ich bestens nachvollziehen, Janáček ist mein Lieblingskomponist, und gerade seine letzten drei Opern bedeuten mir besonders viel. Brünn ist von Wien (und auch von St. Pölten) sehr gut zu erreichen, man fährt nur 90 Minuten, und die beiden Opernhäuser (das Mahen-Theater und das Janáček-Theater) sind in bequmer Gehweite vom Bahnhof: Ich mag beide Häuser sehr, das Mahen-Theater (ehem. Deutsches Stadttheater) ist von Fellner&Helmer, und das modernere Janáček-Theater, in welchem die Mehrheit der Aufführungen stattfindet, ist ein optisch recht schöner und akustisch erfreulicher Bau der 1960er-Jahre; mir gefällt dort auch die "offene" Atmosphäre der Pausenräume. Glücklicherweise beginnen in Brünn viele Aufführungen bereits um 17:00 (wie heute oder der "Peter Grimes" in ca. einer Woche), denn leider fährt der letzte Zug nach Wien schon um 21:22, was bei einem Beginn um 19:00 knapp würde (aber für den Ernstfall gibt es einen Flixbus nach Wien, nur wird es dann spät bis St. Pölten). Das ist die Homepage: Link.
Den Spielplan finde ich recht interessant, und was die Qualität der Aufführungen anbelangt, wurde ich dort meiner Erinnerung nach nie enttäuscht. Wenn Sie Janáček auch so schätzen, könnte Sie vielleicht das Janáček-Festival interessieren, das im Herbst jedes zweiten Jahres in Brünn stattfindet (was im Herbst 2024 dort gespielt wird, habe ich kürzlich hier geschrieben: Link; leider beginnen zwar nicht alle, aber viele Aufführungen dann erst um 19:00).
Danke, ebenfalls alles Liebe!
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Also da ich fast CO2 neutral Auto fahre (ich verwende jetzt schon efuels) kann ich guten Gewissens auch mit dem Auto nach Brno fahren. Daher ist 19:00 Uhr nicht schlimm. Außerdem gibt es sehr schöne günstige Hotels in Brno.
Und jetzt ein schönes Fücjslein
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Alles klar, kein Problem! Da habe ich von mir, der ich keinen Führerschein besitze, auf andere geschlossen.
Danke!
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So., 12. November 2023: BRÜNN/BRNO (Janáček-Theater): Leoš Janáček, Das schlaue Füchslein / Příhody lišky Bystroušky
Janáčeks „Schlaues Füchslein“ halte ich für eine ganz großartige (und oft unterschätzte) Oper, und meiner Meinung nach ist sie sogar noch besser als seine anderen Spätwerke (so hervorragend „Makropulos“ und „Totenhaus“ sind, erreichen sie für mich nicht die Brillianz des „Füchsleins“). Über solche Fragen kann man trefflich streiten, aber freilich bleibt, dass Janáček ein hervorragender Komponist war, und weil Janáček-Opern in Wien leider eher selten zu erleben sind (wieso wurde eigentlich die „Sache Makropulos“ nur genau für eine Serie in Wien gezeigt und dann nie wieder?! Meyer hat das Haus leider in Richtung Stagione-System manövriert), bin ich heute in den Zug nach Brünn gestiegen: Die dortige Produktion von Jiří Heřman (Bühne von Dragan Stojčevski, Kostüme von Alexandra Grusková) hatte ich im November und Dezember 2018 ganz hervorragend gefunden, und auch mein heutiger Eindruck war sehr gut, wenngleich nicht so begeistert wie damals.
Heřman entschied sich glücklicherweise für eine vordergründig nicht librettogetreue Umsetzung (denn wie lächerlich es ausschaut, wenn die Leute in Tierkostümen über die Bühne hopsen, bewies Otto Schenk 2014 in Wien). Der Abend beginnt mit einem Blick in ein Waisenhauses (im eingeblendeten Text ist auch von der Grundsteinlegung eines Waisenhauses bzw. Kinderheimes die Rede: „Základní kámen Dětského domova Dagmar byl položen 8. prosince 1928“), was auf den ersten Blick verwundern mag, aber eine Minute später sinnvoll erscheint, denn aus den Kindern, die mit Stofftieren und hölzernen Tierspielzeugen hantieren (für diejenigen Zuschauer, die Tiere geringer als Menschen bewerten – und das sind leider die meisten – besitzt ein unter diesen Umständen nach seiner Mutter schreiendes Kind mehr Tragik als ein kleines Füchslein im Wald; eine starke Szene also), entwickelt sich die Situation des Anfangs der Oper, und zwar so, dass das keinesfalls aufgesetzt wirkt, sondern so, als würde sich die Szenerie ganz selbstverständlich so ergeben. Recht bald nach dem Anfang (ich glaube, es müsste die Szene mit dem Traum des Försters gewesen sein, kann es aber nicht beschwören) heben sich die hinteren Wände des Zimmers für etwa zwei Meter, und durch diesen entstandenen Riss wird ein weiterer Raum sichtbar, der offenbar eher zur Projektion der Gefühle des Försters dient als als Spielfläche (dazu stimmt, dass sich diese Wände nach dem Tod des Füchsleins wieder senken und im Laufe des Schlussmonologs erneut öffnen). Die vordere Bühne ist auch ein zwei Ebenen geteilt, und somit spielen sich die Aktionen auf den drei Bühnenteilen ab, was grundsätzlich sehr gut funktioniert, doch fand ich es etwas störend, dass der Förster bisweilen gut sichtbar am Boden herumlag, so als würde er schlafen (vielleicht träumt er wesentliche Teile der Handlung?). Dem Element des Waldes bzw. der Natur generell ist insofern Rechnung getragen, als die Sänger, wenn sie Tiere spielen, entsprechende Masken tragen (aber glücklicherweise keine entsprechenden Kostüme) und dass kurz nach Beginn mehrere stilisierte Bäume aus dem Bühnenboden sprießen, doch fand ich das heute ein bisschen zu wenig: Kaum eine andere Oper enthält eine so zarte, berührend schöne Naturschilderung wie das „Füchslein“, und obwohl mich die Produktion zu geschätzten 90% sehr überzeugt, fände ich besser, wenn die Szenerie etwas mehr von der musikalischen Naturschilderung umsetzte. Die 90% sind jedenfalls dadurch begründet, dass Heřman die Handlung (wie ich schon 2018 feststellte) sowohl intelligent als auch poetisch, aber nie kitschig erzählte, und das ist ja schon grundsätzlich sehr erfreulich. (Dass man es deutlich schlechter machen kann, zeigte Stefan Herheim im Oktober 2022 im Theater an der Wien).
In musikalischer Hinsicht war ich sehr zufrieden, was zu einem Gutteil an der Besetzung der beiden Hauptrollen lag: Svatopluk Sem ist ein sehr guter Sänger, denn seine Stimme ist bestens hörbar, sehr durchschlagskräftig und wird in allen Lagen sicher geführt; dass sein Bariton nicht gerade ein „warmes“ Timbre hat, störte mich nicht, wohl aber, dass er einen hohen Ton des Schlussmonologs hinaufschleifte, aber dieser Umstand minderte die wunderbare Gesamtleistung nicht. Ebenfalls auf einem sehr hohen Niveau befand sich das Füchslein von Jana Šrejma Kačírková, deren gleichzeitig lauter und schöner Sopran (ich mag ihr Timbre) keine Wünsche offen ließ, außer vielleicht mit der Ausnahme, dass manche wenige Spitzentöne zur leichten Schärfe neigten, doch war dies noch in Ordnung. Nicht ganz schlau wurde ich aus Jana Hrochová, die einen sehr guten Fuchs brachte, sich aber überwiegend wie ein Sopran anhörte (der Fuchs sollte ein Mezzo sein). Petr Levíček, David Nykl und Roman Hoza waren für Mücke/Lehrer, Dachs/Pfarrer und Harašta gute Besetzungen, ohne besonderen Eindruck zu hinterlassen, und alle anderen (zahlreichenden) Mitwirkenden fügten sich gut ins Geschehen ein. Sehr gut in Form waren das Orchester unter Marko Ivanović und der Chor; das Wenige, was dem Orchester an einwandfreiem Streicherklang abging, machte es mit einwandfreien Blechbläsern wett.
Bedauerlich ist, dass sich in der Aufführung doch einige Eltern mitsamt ihrer Kinder einfanden, die sich nicht zu benehmen wussten (in Tschechien ist das viel seltener der Fall als in Wien) und die eindeutig zu jung waren (ich habe richtig gemerkt, wie die Kinder erschrocken sind und verzweifelt waren, als das Füchslein erschossen wurde). Janáčeks „Füchslein“ ist einfach keine Kinderoper, aber glücklicherweise konnte ich in der Pause von der rechten auf die linke Seite wechseln und dadurch meinen Hintergrund-Geräuschpegel dämpfen. Um 19:06 endete die Aufführung (somit war der 19:22-Zug bestens zu erreichen), und weil ich Zeit hatte, bin ich noch teilweise zum Applaus dort geblieben: Für Folgeaufführungen wäre ratsam, sich hier besser abzusprechen, denn just dann, als sich der Sänger des Försters auf der mittleren Bühnenebene seinen Solovorhang abholen wollte, schneiten auf der unteren Bühnenebene die Kinder herein, sodass der Förster-Sänger um seinen Solovorhang gebracht wurde. Am Programmzettel war übrigens zu lesen, dass die heutige Aufführung der Sängerin Hana Hrdličková gewidmet war („Dnešní představení je věnováno emeritní sólistce Haně Hrdličkové“), und ein beiliegendes Blatt informierte in tschechischer Sprache, dass sie die Füchslein-Sängerin der Uraufführung gewesen war („Byla také první liškou Bystrouškou v Janáčkově opeře Přihody lišky Bystroušky“).
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Aufführungsbericht
„Tristan und Isolde“ im Opernhaus Wuppertal
Am Sonntag, d.12.11.2023
Wie selten ist es heute, dass dieses „opus metaphysicum“, wie F. Nietzsche den „Tristan“ nannte, so aufgeführt wird, dass es guten Grundes als werktreu bezeichnet werden darf! Auch nicht häufig kommt es vor, dass dieses Werk so klingt, als sei es frisch und neu, nicht perfekt, aber völlig überzeugend. Wie selten vor allem kommt beides zusammen: eine musikalische Meisterleistung verbunden mit einer Regie, die als nachschaffende Leistung das Werk des Meisters erkennen lässt und auch gar nicht daran arbeitet, es zu erweitern, zu verkürzen, zu verschlimmbessern oder zu verunstalten; und das alles, ohne dass die Inszenierung abgestanden oder altbacken gewirkt hätte.
Fangen wir mit der Regie an: zu Anfang gibt es eine Video – Projektion. Und das soll „werktreu“ oder „werkgerecht sein“? Ja, weil Meer zu sehen ist, rauschendes Meer, stimmungsvoll, zum Teil technisch verlangsamt. Und welches Element aus der Realität spiegelt Wesentliches dieses Stückes eher wider als das Meer? Man kann es betrachten als wesentlichen realen Ort des Geschehens. Man denkt dann an die Schiffe auf dem Meer, die, mit denen Tristan zu Isolde fuhr, das, mit dem Morold nach Cornwall kam, das, mit dem Tristan mit Isolde Irland verließ. Das Meer und die Meeresküste spielen also als Spielorte eine große Rolle. Zurecht steht es im Zentrum der Bühne. Man kann das Meer aber auch bildlich fassen, als Ort des „Versinkens“ und „Ertrinkens“, in das Tristan und Isolde so vielfältig eintauchen. Angesichts des Textes des Liebestodes baut dann dieses immer wieder auftauchende reale Meer auch eine natürliche Brücke zum Schluss des Werkes. Isolde stirbt dann nämlich nicht. Nachdem sie, zum Teil liegend, neben Tristan ihren Liebestod gesungen hat, geht sie auf das Meer hinaus, wohl in der Absicht, dort real zu versinken und zu ertrinken. Das Ganze hat dabei keine Gewalt, sondern erscheint konsequent, so konsequent, ja zwingend, dass König Marke Isolde ziehen lässt und ihr so ermöglicht, das zu tun, wovon Tristan schon im Ersten Akt gesprochen hat: „Wohin nun Tristan scheidet, willst du, Isold', ihm folgen?“ Sie folgt, wenn auch zwei Akte später. Zwischen dem „Meeresvorspiel“ und dem „Meerestod“ entspinnt sich deutlich sichtbar und nachvollziehbar das, was Wagner in seinem Werk vorgesehen hat. Zur Meeres – Projektion kommt die des Wetters und des Lichtes in unterschiedlichen Erscheinungsformen der Sonne, was auch von hoher Symbolkraft ist, denn Licht und Dunkelheit, Tag und Nacht bestimmen die Gedankenwelt und den Lebensdeutungsraum von Tristan und Isolde. Allerdings gibt es dazu ein weniger poetisches als recht prosaisches Bühnenbild, das sehr sparsam ist und ein wenig an Neu – Bayreuth erinnert. Das Schiff und die Segel sind deutlich erkennbar, Spielflächen werden durch verschiedene Konstellationen eines Podestes, das dreieckig ist und damit an die Segel erinnert, so erstellt, dass sie den jeweiligen Szenen dienlich sind. Alles spielt dabei im Vordergrund, nichts bleibt im Düstern oder nur ahnbar, auch für die Zuschauer, die oben im 1. Rang sitzen. Abstraktion des kulturellen Raumes (Schiff) und die Konkretion des natürlichen Raumes (Meer) bilden hier wie selbstverständlich eine spannungsreiche wie organische Verbindung.
Das Spiel der Protagonisten ist klar. So hat Isolde den Todestrank um ihren Hals an einer Kette hängen, und man sieht später deutlich, wie Brangäne ihn vertauscht. Es gibt nicht sehr viel Personenregie, das sei eingestanden. Es gibt sogar manche Stellen, an denen ins Publikum gesungen wird, fast im Sinne des alten Rampentheaters. Dadurch erhält die konkrete Szenerie aber Ruhe und eine abstrakte Wahrheit, die eben nicht aufgeht in eine einzige konkrete Geschichte. Der metaphysische und reflektierende Gehalt des Werkes wird dadurch deutlicher, als wenn alles zu sehr realistisch gespielt würde. Dabei gibt es jedoch auch viele wirklich realistische Szenen, nämlich immer da, wo auch etwas Wesentliches passiert, wo agiert wird, so etwa, wenn Tristan und Isolde nacheinander den Trank nehmen, oder wenn Brangäne Isolde auf die Begegnung mit Marke vorbereitet und ankleidet und so fort. Die Mischung aus Spiel und Abstraktion durch fast konzertanten Gesang ist wahrscheinlich nicht intendiert, wirkt aber überzeugend in dem Kontrast beider Spielweisen.
Da wir bei Marke angelangt sind: es ist ein junger, starker, aber warmherzig wirkender Marke mit heller Stimme, der Isolde zur Frau nimmt, kein weiser älterer Greis, wie man das oft zu sehen und hören bekommt. Marke (Erik Rousi) war denn auch die überzeugendste Figure, stimmlich wie spielerisch. Sein Kostüm, das ritterlich daherkommt, passt gut zu dem seltsamen Trägerkleid von Brangäne (das man auf einem mittelalterlichen Markt verorten könnte), auch zu dem leider viel zu engem Kleid der Prinzessin Isolde und den anderen Kostümen. Nur das Kostüm Tristans passt dazu nicht. Denn er hat eine Hose an, über der er ein weißes Hemd trägt. Das Kostüm scheint als einziges aus unserer Zeit zu sein. Nötig ist das nicht, es bringt einem den Tristan nicht näher. Aufgrund der farblichen Unauffälligkeit und Nüchternheit stört es aber auch nicht. Vielmehr wirkt sein zeitloses bis gegenwärtiges Kostüm eher wie eine Brücke in unsere Zeit. Soll damit ausgedrückt sein, dass die Thematik wie die der Wagnerschen Werke überhaupt „zeitlos gültig, weil ewig menschlich“ sind, wie Wieland Wagner es sah, oder liegt das etwas unbeholfene unbedarfte Spiel Tristans daran, dass er nach einer Erkältungserkrankung noch nicht ganz gesund war, was vor der Aufführung angekündigt wurde? Wie auch immer, es fügt sich sehr gut in das Gesamte, in das kammerspielartige Musikdrama. Brangäne spielt überzeugend die Vertraute, mehr schon Freundin Isoldes. Diese zeigt ihre Würde immer dann, wenn sie sich beherrschen muss, wenn es gilt, sich keine Blöße zu geben. Während Tristan sich gleich vor Marke hinkniet und den Blick niederschlägt, erwartet Isolde ihn am Ende stolz, aber korrekt, nicht ausweichend und nicht verächtlich.
Im Zweiten Akt befindet sich Isolde in einem stilisierten Garten, nur ein mit aufgravierten mittelalterlichen Figuren versehenes Tor markiert den Übergang vom Palast zum Garten. Isoldes Leuchte ist eine Feuerschale rechts auf der Bühne. Als Tristan zugegen ist, berührten sich die beiden Liebenden zunächst nicht, aber dies nicht etwa, weil sie sich entfremdet wären, sondern weil ihr Freudentaumel den anderen noch nicht im Blick hat. Aber später werden sie ihrer Zweisamkeit wieder erinnerlich, und es zeigten sich Bilder zärtlich Berührender, ohne jede Orgiastik zwar, aber von inniger Liebe. Spiegel des Innenlebens wird dann im Hintergrund ein Zaubergarten von riesigen langsam wachsenden Pflanzen, wie sie in einem üppigen Tropenwald zu sehen sind und so auch Klingsors Zaubergarten hätten darstellen können (was an die vorletzte „Parsifal“ – Inszenierung in Bayreuth erinnert). Das Tor neigt sich dann auch zu Boden und wird zur Brücke über einen See in den Zaubergarten hinein. Hier ist das Wasser also nicht mehr das Bedrohliche, die Urtiefe, sondern das eingehegt Lebendige, das Leben schafft und Erfüllung bringt. Als die beiden entdeckt werden, wiederholt sich die devote Geste Tristans gegenüber Marke, während Isolde ihm stolz, aber nicht provokant in die Augen schaut. Marke ist es dann, der den Blick Isoldens nicht aushält, nicht umgekehrt. Das ist eine der stärksten Szenen. Der Kampf zwischen Melot und Tristan wird dann einmal deutlich sichtbar vollzogen. Tristan hebt am Ende sein Schwert, und lässt Melot zustechen. So endet der Zweite Akt.
Der Dritte Akt lässt im Hintergrund wieder das - dieses Mal stille - Meer erkennen. Man gewahrt eine Küste, und Tristans Krankenlager scheint am Strand einer Lagune zu liegen. Die Warte, ein (etwas zu) einfacher großer Stein, befindet sich ebenfalls vorne auf der Bühne, links von Tristan. Tristan durchlebt seine Wahnträume, die dem Zuschauer zum Teil auch durch Projektionen augenscheinlich werden. Man schaut somit, was Tristan innerlich schaut. Und was man zu schauen bekommt, ist plausibel. Es sind die Begegnungen mit Isolde, ihr Gesicht, ihr Geführtwerden an der Hand von Marke. Dann verläuft alles traditionell. Das Ende, wovon schon die Rede war, ist der Gang Isoldens zum Wasser, noch eher wohl ins Wasser, sehr dezent und völlig mit der musikalischen Atmosphäre in Übereinstimmung. So endet eine unspektakuläre, nicht überwältigende, aber überzeugende Inszenierung des Teams von E. Vigil und L. Noll.
Kommen wir zu der musikalischen Darstellung, so werden hier keine Bestleistungen gebracht. Samuel Sakker als Tristan hat am Anfang schon einen unsauberen Stimmsitz, ein wenig klang- und obertonarm, aber dabei nicht flach ließ, er seine Stimme vernehmen, aber er ist auch erkältet und hält die mörderische Partie dafür sehr gut durch. Vor allem im Zweiten Akt gelingt ihm mit Isolde zusammen ein lyrischer, sehr transparent geführter, fast philosophischer Dialog über Tag und Nacht, Licht und Dunkelheit. Der Zweite Akt wurde wie der erste als so konzentriert wie kurzweilig wahrgenommen. Am Ende ist Tristan von Müdigkeit in der Stimme weniger anzumerken als am Anfang. Wie alle, außer Marke, ist er nicht von Beginn an in Ausübung seiner besten Möglichkeiten. Er steigert sich zwar mehr und mehr, zum Teil ist er aber sehr leise, die großen Ausbrüche meistert er aber nicht nur mit viel Kraft, sondern auch mit einer klugen Technik und Einteilung der Kräfte. Auffällig ist: er nimmt einen nicht sehr für sich ein, weder als Sänger noch als Person Tristan. Er singt die Partie, hat seine Stärken auch in lyrischen Passagen, aber er erstaunt nicht, er begeistert nicht. Er lässt einen nicht unbewegt, aber er kann die Distanz zum Publikum nicht ganz überbrücken.
Auch Isolde, Kirstin Sharpin, braucht eine Zeit um sich einzusingen. In der Höhe ist sie manchmal schrill, kann aber auch ein großes Volumen entfalten, überzeugt vor allem in der Mittellage, wobei sie härter, nordischer klingt als etwa die Isolde von W. Meier. Sie gibt der Partie ein wenig Schärfe, die aber auch von ihrer Rollendarstellung als stolze Prinzessin gedeckt ist. Ihr Liebestod ist dann schön und leicht, klingt wie eine Stimme aus dem Orchester, von dem sie umfangen ist. Zuvor schaut sie ihren Tristan so innig an, dass sie vergisst, ihn mit „Tristan“ anzusingen.
Brangäne (J. Feinstein) hat eine intensive Bühnenpräsenz, singt sicher und deutlich, man wünschte sich aber größere Resonanzräume bei ihr geöffnet. Vor allem jedoch tremoliert sie sehr, was gewöhnungsbedürftig ist, dabei bleibt sie aber immer noch gerade im Rahmen des Akzeptablen, während die Stimme des Kurwenal, M. Sanders, irgendwie sehr stark gefährdet wirkt. Der durchdringenden, sonoren, aber leichten wie klaren Stimme ist ein schnelles, nervöses, unkontrolliertes Tremolo von Beginn an beigegeben, was stört und irritiert. Nur ein paar große Linien vermögen dieses ein wenig einzudämmen. Hier ist Hilfe vonnöten, wenn noch möglich.
Derjenige, der den Abend vor allem prägt, ist der junge Patrick Hahn. Der erst 28 Jahre alte Österreicher ist seit zwei Jahren GMD in Wuppertal (wohl der jüngste in Deutschland), einer Stadt mit großer musikalischer Tradition und einem A - Orchester, dem Herkunftsort von H. Knappertsbusch, G. Wand, H. Stein und M. Janowski, dem Geburtsort von Mathilde und Otto Wesendonck (im damaligen Elberfeld) und dem Wirkungsort von Hanns Martin Schneidt und Peter Gülke, um nur ein paar prägnante Personen zu nennen. Hier also entfaltet Patrick Hahn einen unglaublich dynamischen und wohlproportionierten „Tristan“. Er weiß, wo er das Tempo anziehen muss, wo er die Zügel lösen kann, er lässt Emotionen sich aufbauen und wieder auflösen, und das (fast) alles ganz organisch. Künstlich, gekünstelt, gewollt ist hier nichts. Alles ist hochmusikalisch und stellenweise musikantisch gedacht. Die Tempi stimmen alle, Übergänge, Entwicklungen sind bewusst gestaltet und geschehen aus dem musikalischen Duktus, nicht aus dem Eigenwillen des Dirigenten heraus. Das Vorspiel besitzt eine zwingende Kraft wie der ganze erste Aufzug. Auch beim zweiten Aufzug wogt das Orchester in großer Sicherheit und mit natürlichen und wohl dosierten Akzenten. Die Musik fließt, nichts wird überdehnt, nichts überspannt, aber nichts zerfließt auch dem Kapellmeister aus den Händen, denn bei aller Organik und Bewegung hat er ein sehr artikuliertes und direktes Dirigat und gibt fast jeden Einsatz den Solisten, die von ihm sicher geführt werden, und viele Einsätze dem Orchester. Dieses (mit dem „Tristan“ vertraut [einige Orchestermusiker haben noch erlebt, wie die damals große Gudrun Volkert, auch eine Österreicherin, die Isolde unter Peter Gülke sang - vor 34 Jahren!]) folgt ihm sicher. Eine Ausnahme bilden da allerdings manche Passagen vor allem im Dritten Akt, in denen es wohl ein paar kleinere Abstimmungsschwierigkeiten gibt, das Orchester auch an manchen Stellen zu laut ist (hier müsste P. Hahn dagegenhalten). Hier geht auch in den flächigeren Passagen im Gegensatz zum wunderbar gestalteten Zweiten Akt, manchmal die Spannung ein wenig verloren. Vielleicht gab es zu wenig Proben. Aber auch wenn - nach meinem Empfinden - der Dritte Akt orchestral etwas abfällt, gibt es keinen Schmiss, keine Peinlichkeiten, keine auffälligen Patzer. Die Solostellen sind vorzüglich gestaltet. Die Violinen klingen allerdings manchmal in der Höhe ein wenig unsauber. Dabei soll einmal darauf hingewiesen werden, dass Wagner den „Tristan“ nicht für den geschlossenen Bayreuther Graben geschrieben hat. Und so gereicht der große und breite Wuppertaler Orchestergraben der Durchhörbarkeit der Partitur in der Instrumentierung und im Rhythmus sehr zum Vorteil. Der Mischklang wird hier geschärft und korrigiert zum differenzierten Hören. Gefahr ist dabei natürlich Sänger zuzudecken, die nicht zu den Stimmstärksten gehören. Dieser Gefahr wird in dieser Aufführung nicht immer erfolgreich entgegengewirkt. Von Patrick Hahn werden wir noch zu hören bekommen.
Als der Vorhang fällt, geht nach einer auffällig langen stillen Pause (die Bergischen Menschen sind noch relativ diszipliniert und nicht so impulsiv wie die nahebei lebenden Rheinländer) dann (doch) ein lautes Bravo – Konzert auf alle Mitwirkenden herab. Alle Einzelnen werden sodann (aus meiner Sicht etwas zu undifferenziert) fast gleichermaßen gefeiert, vor allem und am stärksten der Publikumsliebling, Wuppertals junger GMD, der an H.M. Schneidt erinnert, der einstmals auch als sehr junger Mann (mit 32 Jahren) an die Wupper kam und dort Großes in Oper, Konzert und als Cembalist leistete, bevor er dann den Münchner Bach – Chor übernahm und später noch eine Karriere in Japan machte als Dirigent und Chorleiter.
So schließt ein erfreulicher, bemerkenswerter und sehr befriedigender Wagner – Abend, aus dem die Lehre zu ziehen ist, dass nicht alles phantastisch sein muss, oder gar perfekt, um begeistern zu können. Mit einer stimmigen Konzeption auf der Bühne und im Orchester lassen sich im Einzelnen manche Mängel oder Unfertigkeiten nicht nur kompensieren, sondern fast schon ungeschehen wirken lassen. So wird manches von dem, was uns sonst „groß und nichtig erscheint, plötzlich nichtig und klein“, weil man Ohr und Auge für das Wesentliche hat und von diesem gänzlich positiv eingenommen wird.
Ganz am Ende steht eine positive Überraschung: Die neue Intendantin der Stadt an der Wupper steht im Foyer und bedankt sich bei den vorbeigehenden Zuschauern, dass sie gekommen waren. Wo hat man so etwas schon mal erlebt?
Gratulation, Wuppertal im Bergischen Lande! Du bist mitnichten die kleinste unter den Kulturstädten Deutschlands!
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Di., 14. November 2023: WIEN (Volksoper): Jacques Offenbach, Die Reise zum Mond / Le voyage dans la lune
Heute besuchte ich erneut die „Reise zum Mond“ an der Volksoper und kann mich sehr kurzfassen, weil mein Eindruck des Erstbesuchs (am 20. Okt. 2023) über weite Strecken auch heute gilt: Das Stück ist nach wie vor musikalisch oberflächlich und am Ende inhaltlich schwach, wird aber in der Inszenierung von Laurent Pelly witzig und sehr gut choreographiert auf die Bühne gebracht. Die Sängerleistungen fand ich überwiegend so wie am 20. Okt., wobei Aaron Casey Gould nicht nur mit der Textverständlichkeit, sondern auch mit der Lautstärke zu kämpfen hatte und Carsten Süss heute noch schwächer klang, hingegen ist mir Sofia Vinnik als Mondkönigin angenehm aufgefallen, und Paul Schweinester passt in der Rolle des Gelehrten Mikroskop besser als in vielen anderen (dennoch, sein Rollenvorgänger vom 20. Okt., Jakob Franz Loibl, hinterließ aufgrund besserer Artikulation einen erfreulicheren Eindruck). Das Orchester klang gut, wobei es mich dünkte, als wäre die heutige Aufführung etwas weniger spritzig und lebendig dirigiert worden (heute stand nicht der derzeit glücklicherweise vielbeschäftigte – er dirigiert am 6., 9. 10., 11., 13. und 15. Nov. – Alfred Eschwé am Pult, sondern Roger Díaz-Cajamarca), aber dieser Eindruck kann auch der Tatsache, dass es nicht meine Erstbegegnung mit dem Stück war, oder persönlichen Dispositionen geschuldet sein. Sehr gut der Kinder- und Jugendchor, und die vielen Kinder im Publikum verhielten sich mit ihren Eltern erstaunlich ruhig. Einen Punkt des Berichts vom 20. Okt. muss ich korrigieren, denn der König sagt nicht: „Gott grüß Euch, liebe Männer von Brabant“, sondern „Gott grüß Euch, liebe Männer vom Trabant“ (gemeint ist natürlich der Mond, der „Erdtrabant“, dessen Dativ eigentlich „Trabanten“ lautet); da habe ich mich am 20. Okt. offenbar verhört.
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Lieber Sadko, wie schaffst Du das nur, so oft in die Oper zu gehen? Das ist offensichtlich wahre Leidenschaft ! Laurent Pelly ist in Frankreich sehr bekannt und ich habe schon etliche Inszenierungen von ihm gesehen. Meistens amusant und nett anzusehen. Seine Liebe zu Offenbach teile ich nicht. Die meisten Offenbach Operetten sind für mich eine Art Kabarett Show seiner Zeit und waren damals auch politisch oft provokant und subversiv . Aber ich kann heute wenig damit anfangen und finde die Musik ebenfalls oberflächlich. Wenn auch sehr gut gemacht Ich kenne einige Partituren ziemlich gut und hab selbst schon bei Offenbachiaden mitgemacht. Als Teilnehmer machte es mir deutlich mehr Spaß als als Zuhörerin.
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„Tristan und Isolde“ im Opernhaus Wuppertal
Lieber Hagen!
Ich freue mich, dass Sie Zeit gefunden haben, Ihre Tristan-Eindrücke so ausführlich festzuhalten -- ich kann mir nun etwa vorstellen, wie Sie die Aufführung erlebt haben! Dass Isolde am Ende auf das offene Meer hinausschreitet, war in der McVicar-Inszenierung in Wien (2013--2017) auch der Fall, ich finde diese Lösung gar nicht schlecht: Dieses ruhige Hinausschreiten auf die Wasserfläche passt meiner Meinung nach zur Musik (wie Sie ja auch schreiben: "völlig mit der musikalischen Atmosphäre in Übereinstimmung").
Dass in einem kleinen Haus keine Bestleistungen gebracht werden, ist sehr nachvollziehbar, aber oftmals lohnen sich dennoch Besuche an kleinen Häusern. Dass der Tristan-Sänger am Ende weniger erschöpft klang als zu Beginn, verstehe ich nicht ganz, aber vielleicht musste er sich anfangs erst einsingen oder hatte mit Nervosität zu kämpfen, oder etwas anderes ist die Ursache. Dass die Mitwirkenden doch ziemlich undifferenziert beklatscht werden, habe ich in Deutschland auch schon mehrmals erlebt.
Laurent Pelly ist in Frankreich sehr bekannt und ich habe schon etliche Inszenierungen von ihm gesehen. Meistens amusant und nett anzusehen.
Liebe Sonnambula! Ja, Pelly ist mir von einer wirklich witzigen Inszenierung von Donizettis "Regimentstochter" bekannt: Wiener Staatsoper; es gibt auch eine DVD mit Flórez und Dessay (zwar aus London, aber dieselbe Inszenierung).
Was Offenbach betrifft, stimmen wir überein, wobei ich noch nicht so viele Operetten von ihm gesehen habe ("König Karotte" gab es vor ein paar Jahren in Wien, aber ich war nicht drinnen). "Hofmanns Erzählungen" mag ich, aber das ist freilich eindeutig eine Oper
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Dass der Tristan-Sänger am Ende weniger erschöpft klang als zu Beginn, verstehe ich nicht ganz, aber vielleicht musste er sich anfangs erst einsingen oder hatte mit Nervosität zu kämpfen, oder etwas anderes ist die Ursache.
Ich nehme an, dass hat mit der auf vor der Aufführung angekündigten Erkältung zu tun. Möglicherweise hat sich nach und nach auch Schleim gelöst, wie das oft der Fall sein kann während des Singens. So wäre erklärlich, dass seine Stimme am Ende freier und sitzgenauer erklingen konnte als am Anfang. Aber das ist natürlich nur eine Vermutung. Und natürlich erhebe ich - wie kann es auch anders sein - keinen Anspruch darauf, alles "objektiv" gehört und im Nachhinein festgehalten zu haben. Interessant wäre es ja immer, wenn zwei Leute dieselbe Aufführung rezensieren. Aber damit haben Sie, lieber Sadko, auch schon Ihre Erfahrungen gemacht.
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So wäre erklärlich, dass seine Stimme am Ende freier und sitzgenauer erklingen konnte als am Anfang.
Alles klar, danke für die Ergänzung!
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aber oftmals lohnen sich dennoch Besuche an kleinen Häusern.
Das ist wohl war! Ich habe z.B. 2011 einen hervorragenden "Tristan" in Augsburg gesehen, der mir deutlich besser gefallen hat als unserer in München.
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Do., 16. November 2023: WIEN (Volksoper): Giacomo Puccini, La Bohème
Dass vor etwa einem Jahr Harry Kupfers „Bohème“ in der Volksoper wiederaufgenommen (bzw. eigentlich: von Angela Brandt „neueinstudiert“) wurde und dass diese Produktion auch in der aktuellen Saison gezeigt wird, ist ein Highlight des insgesamt tristen Volksopern-Spielplans. Zur Inszenierung von Harry Kupfer (Bühnenbild von Reinhart Zimmermann, Kostüme von Eleonore Kleiber), der man das Alter (sie gelangte 1984 zur Premiere) gar nicht ansieht (von einem leider heute ziemlich knarzenden Bühnenbild abgesehen), habe ich am 29. Nov. und 13. Dez. 2022 schon alles Notwendige geschrieben, insofern verweise ich darauf und kann mich jetzt auf die Beschreibung der musikalischen Leistungen konzentrieren:
JunHo You machte den Rudolfo noch besser als letztes Jahr, und das ist ein großes Kompliment: Mit der Ausnahme, dass er manche (nicht alle!) Höhen zu penetrant ansteuerte und das bisweilen auf Kosten der Gesangslinie ging, hatte ich gar keine Einwände: Mir gefällt sein metallisches Timbre, er gestaltete die Rolle sehr gefühlvoll und wird generell seit Jahren kontinuierlich besser. Der Meinung meines Stehplatznachbars, er habe zu laut gesungen, kann ich mich gar nicht anschließen, denn hier stand endlich einmal ein Sänger mit einer „richtigen“ Stimme auf der Bühne. Ebenfalls sehr gut fand ich Daniel Schmutzhard (ein Marcello mit wie gewohnt kultivierter Stimmführung und hell timbrierter, höhensichere Stimme) und Alexander Fritze (ein Colline mit einem sehr warmen, „vollen“ Bass, von dem ich gerne mehr hören wurde); doch konnten die anderen drei Sänger hier nicht mithalten: Olesya Golovneva ließ im ganzen ersten und zweiten Akt ein störendes Flackern hören, das schon in die Richtung von „Meckern“ ging; im dritten Akt besserte sie sich aber und konnte im vierten Akt überzeugen; Hedwig Ritter war eine kreischende, outrierende Musetta (und gar so übertreiben muss man es hier nicht; vor allem dann nicht, wenn man so das Ende fast ruiniert), und Szymon Komasa klang als Schaunard ziemlich seltsam, denn bisweilen wirkte es, als würde er gewissermaßen in sich hineinsingen, und bisweilen so, als würde er seine Stimme abdunkeln (erst nach dem Schreiben sah ich, dass ich letztes Jahr etwas ganz ähnliches zu ihm geschrieben hatte). Hervorragend war Daniel Ohlenschläger als Benoît, und Morten Frank Larsen passte als Alcindoro. Das Orchester und der Chor waren in sehr guter Form, aber mit der Leistung des Dirigenten Ben Glassberg wurde ich nur zu 90 Prozent glücklich: Das Fehlen der restlichen zehn Prozent ist dadurch begründet, dass mir die Aufführung etwas schaumgebremst dirigiert schien, man hätte durchaus mehr in der Musik schwelgen können, es klang mir manchmal zu „analytisch“ und distanziert. Aber selbstverständlich kann das auch dadurch begründet sein, dass heute erst die erste Aufführung der Serie über die Bühne ging und möglicherweise (ich weiß es wirklich nicht) (zu) wenige Proben stattgefunden hatten.
Die Vorstellung war (zumindest auf der Galerie) schlecht besucht. Mein Fazit: Ich höre mir lieber zwanzigmal in Folge „La Bohème“ an, bevor ich noch ein einziges Mal Zeit für so einen Müll wie Ligetis „Le Grand Macabre“ verschwende.
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Lieber Sadko,
ich war gestern auch in der Bohème und kann mich nur vollinhaltlich Ihrem Bericht anschließen.
You war aus meiner Sicht wirklich sehr gut. Ich saß Parterreloge 1 und fand überhaupt nicht, dass er zu laut sang.
Schmutzhard war ein sehr guter Marcello. Fritze und Komasa haben mich allerdings nicht überzeugt.
Goloneva war genau wie Sie beschrieben. In den ersten beiden Akten zu "blechig" was sich aber im Verlauf des Abends gab.
Im 4. Akt gefiel sie mir gut.
Ritter war furchtbar. Eine derartig schrille (sowohl stimmlich als auch schauspielerisch) Musetta habe ich noch nie erlebt.
Da lobe ich mir in der Staatsoper die Nazarova.
Ganz vorne in der 1. Loge übertönte sie sogar das Blech...und in diesem Falle, ist das kein Kompliment.
Glassberg und das Orchester fand ich ziemlich gut. Manchmal zu analytisch, im 2 Akt phasenweise zu schnell, der Chor und das Orchester waren sich auch teilweise nicht ganz einig (Parpignolszenen), aber verglichen mit dem Staatsopernorchester eine tadellose Leistung.
In 2 Wochen sehe ich die Bohème in der Staatsoper (bereits glaube ich zum geschätzten 30. Mal), und bin auf den direkten Vergleich schon gespannt.
(Spannend ist, dass ich in in der Staatsoper in den 70ern mit den Sängerknaben oft in der Bohème gesungen habe, und wir 2023 nach wie vor die gleiche Inszenierung haben. Genau wie bei Tosca).
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Lieber Sadko,
bin nächste Woche in "Le grand Macabre" und bin nach Ihrer Kritik schon sehr gespannt.
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Lieber Reinhard! Ich freue mich, dass wir beide in derselben Aufführung waren und einen sehr ähnlichen Eindruck haben: Nur bei Fritze (Colline) stimmen wir nicht überein (ich fand ihn sehr gut, auch wenn er vielleicht manchmal etwas ungeschliffen klang, aber das war meiner Ansicht nach noch im Rahmen).
Ob ich Ende November / Anfang Dezember auch in die Staatsopern-Bohème gehe, weiß ich noch nicht, das ist eine Termin-Sache. Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie persönliche Erinnerungen mit der Zefirelli-Inszenierung verbinden, mir gefällt aber die Kupfer-Inszenierung der Volksoper viel besser (Gründe siehe hier und hier). Vermutlich fahre ich im Laufe der Saison auch nach Baden (bei Wien), um eine deutschsprachige "Bohème" zu hören, aber ich will mich nicht mit diesem Stück überfrachten
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Eigentlich sollte heute an dieser Stelle ein Bericht von mir zur heutigen „Peter Grimes“-Aufführung in Brünn erscheinen. Doch vorgestern (also am Freitag) erhielt ich am Vormittag folgendes SMS:
Dobrý den, nedělní představení Peter Grimes, 19.11.23, je z důvodu nemoci zrušené. Pro vrácení peněz nebo výměnu na jiný termín se prosím obracejte na storno@ndbrno.cz. eVstupenky hrazené kartou online budeme vracet automaticky do 14 dnů. Děkujeme za pochopení a omlouváme se všem naším divákům za komplikace, Národní divadlo Brno.
Das heißt etwa, dass die Vorstellung krankheitsbedingt abgesagt wurde und das Geld zurückerstattet wird.
Ich habe großes Verständnis für jeden Künstler, der eine Vorstellung krankheitsbedingt absagen muss, aber ich finde sehr befremdlich, dass ein Opernhaus nicht willens ist, in zwei Tagen Vorlaufzeit entsprechenden Ersatz für diese mittlerweile glücklicherweise oft gespielte Oper (vgl. Operabase: Link) zu finden. Ich habe den Verdacht, dass man aufgrund der Tatsache, dass die Vorstellungen am 17. und 19. Nov. nicht besonders gut verkauft waren, gleich "den Hut drauf gehaut hat" (wie man in Österreich sagt) und sie abgesagt hat.
Ich bedaure das, denn ich hätte die Produktion (von der es hier ein kurzes Video gibt: Link) sehr gerne gesehen (gesungen hätten: Joachim Bäckström die Titelrolle, Jana Šrejma Kačírková die Ellen und Svatopluk Sem den Balstrode) und kann die beiden verbleibenden Termine im Dezember nicht wahrnehmen, weil sie erst um 19:00 beginnen und ich dann keinen Zug mehr nach Wien habe. (Die heutige Beginnzeit wäre 17:00 gewesen.)
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