Opernberichte der Saison 2023/24

  • Warum sollte die Staatsoper eigentlich den Spielplan an ihre Bedürfnisse anpassen? Wie Sie richtig erwähnten, gibt es ganze vier Vorstellungen der Daphne, Sie hätten also bedenkenlos in die Volksoper zur Salome Premiere gehen können und in der kommenden Woche wieder in die Staatsoper. Und beide Häuser waren gestern voll.

  • Aber wo liegt der Mehrwert das explizit zu schreiben?

    Was für eine Frage! Der Mehrwert liegt darin, einen Eindruck zu schildern und ihn zur Diskussion zu stellen. Genau das ist Sinn einer Äußerung nach einem Konzert, erst recht in einem Gesprächsforum.

    Worin hingegen der "Mehrwert" Ihrer von mir zitierten Frage über den Mehrwert liegt, erschließt sich mir bisher nicht.

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    Umfasste das griechische Kunstwerk den Geist einer schönen Nation, so soll das Kunstwerk der Zukunft den Geist der freien Menschheit über alle Schranken der Nationalitäten hinaus umfassen; das nationale Wesen in ihm darf nur ein Schmuck, ein Reiz individueller Mannigfaltigkeit, nicht eine hemmende Schranke sein.
    (R. Wagner, Kunst und Revolution,1849)

  • Warum sollte die Staatsoper eigentlich den Spielplan an ihre Bedürfnisse anpassen?

    Hat das irgendeiner gefordert?

    Sie hätten also bedenkenlos in die Volksoper zur Salome Premiere gehen können und in der kommenden Woche wieder in die Staatsoper.

    Hätte er, ja. Er hätte auch bedenkenlos in ein Kino gehen können und sich einen Thriller ansehen können. Er hätte sogar mit der Axt in der Hand die Autos in seiner Straße zerstören können, oder gar einen Diebstahl in der Tankstelle gegenüber begehen können. Warum bloß hat er das alles nicht gemacht? :/ Warum nicht? ||

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    Umfasste das griechische Kunstwerk den Geist einer schönen Nation, so soll das Kunstwerk der Zukunft den Geist der freien Menschheit über alle Schranken der Nationalitäten hinaus umfassen; das nationale Wesen in ihm darf nur ein Schmuck, ein Reiz individueller Mannigfaltigkeit, nicht eine hemmende Schranke sein.
    (R. Wagner, Kunst und Revolution,1849)

  • Hat das irgendeiner gefordert?

    Hätte er, ja. Er hätte auch bedenkenlos in ein Kino gehen können und sich einen Thriller ansehen können. Er hätte sogar mit der Axt in der Hand die Autos in seiner Straße zerstören können, oder gar einen Diebstahl in der Tankstelle gegenüber begehen können. Warum bloß hat er das alles nicht gemacht? :/ Warum nicht? ||

    Selbstverständlich beklagt Sadko das und hätte sich lieber nicht entscheiden müssen. Lesen sollte auch gelernt sein.

  • Warum sollte die Staatsoper eigentlich den Spielplan an ihre Bedürfnisse anpassen?

    Davon war keine Rede. Aber wenn man endlich wieder „Daphne“ spielt, wäre es schön, wenn nicht die Hälfte der Aufführungen so lägen, dass sie sich mit einer anderen Strauss-Oper überschneiden. Monatelang gibt es in Wien keinen Strauss, und dann gleich zwei gleichzeitig.

  • Lesen sollte auch gelernt sein.

    Da haben Sie recht. Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung, werte Frau Wahrheit.

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    Umfasste das griechische Kunstwerk den Geist einer schönen Nation, so soll das Kunstwerk der Zukunft den Geist der freien Menschheit über alle Schranken der Nationalitäten hinaus umfassen; das nationale Wesen in ihm darf nur ein Schmuck, ein Reiz individueller Mannigfaltigkeit, nicht eine hemmende Schranke sein.
    (R. Wagner, Kunst und Revolution,1849)

  • Davon war keine Rede. Aber wenn man endlich wieder „Daphne“ spielt, wäre es schön, wenn nicht die Hälfte der Aufführungen so lägen, dass sie sich mit einer anderen Strauss-Oper überschneiden. Monatelang gibt es in Wien keinen Strauss, und dann gleich zwei gleichzeitig.

    Nun ist wohl auch in Wien die Zahl der Nerds, die unbedingt in jede „Daphne“ marschieren müssen, eher übersichtlich

  • Nun ist wohl auch in Wien die Zahl der Nerds, die unbedingt in jede „Daphne“ marschieren müssen, eher übersichtlich

    Das ist ein Argument ;) Aber wenn (wie in meinem Fall) mehrere interessante Operntermine aufgrund anderer Termine sowieso nicht möglich sind, ist man ohnehin zeitlich eingeschränkt. Ich habe auch mit anderen Stehplatzlern gesprochen, die mit der Überschneidung auch nicht glücklich sind.

  • Ich verstehe Dich sehr gut. So etwas Ähnliches hatten wir in München öfter mit der Staatsoper und dem Gärtnerplatz-Theater. Da kam es vor, daß in beiden Häusern praktisch gleichzeitig "La Bohème" auf dem Programm stand. Und das war kein Einzelfall.

    Da frägt man sich doch: können sich die beiden Intendanten denn nicht miteinander abstimmen?

    "Es gibt kein richtiges Leben im falschen." (Theodor W. Adorno)

  • Wobei die Boheme der Staatsoper abgenudelt genug ist

    Ich mag sie trotzdem! :S

    Und so abgenudelt kann sie gar nicht sein, daß sie nicht immer noch um Klassen besser ist, als all das, was in den letzten Jahren so herausgekommen ist.

    "Es gibt kein richtiges Leben im falschen." (Theodor W. Adorno)

  • Sa., 16. September 2023: PRESSBURG/BRATISLAVA (Neues Opernhaus): Antonín Dvořák, Rusalka

    Die Pressburger „Rusalka“-Produktion (Regie: Martin Kákoš, Bühnenbild: Milan Ferenčík, Kostüme: Ľudmila Várossová) hatte ich bereits zweimal besucht (am 20. Februar 2020 und am 11. Juni 2022; genauere Anmerkungen stehen in meinen damaligen Berichten) und muss bekennen, dass sie mir beim heutigen dritten Besuch besser als bisher gefallen hat. Sie ist zwar sehr traditionell und nicht besonders einfallsreich, gleichwohl stilvoll gemacht (die Videoeinspielungen im Hintergrund sind sehr gut eingesetzt) und in sich konsistent. Das leise Knarzen des Holzgestells, das sich im ersten und dritten Akt auf der Bühne befindet, ist allerdings nach wie vor ein Ärgernis.


    In musikalischer Hinsicht gibt es viel Erfreuliches zu berichten: Sehr gut gefiel mir Iwona Sobotka in der Titelrolle, denn obwohl ich ganz am Anfang etwas irritiert war (da musste sie vielleicht erst die Akustik des Hauses testen oder war nervös), bot sie ab dem Mondlied eine sehr gute Leistung. Man kann zwar anmerken, dass ihre durchschlagskräftige (aber auch zum tragfähigen Piano fähige) und eher helle Stimme in der Höhe ein Vibrato aufweist, das ein bisschen stärker ist, als es sein sollte, was mich aber angesichts der ansonsten wunderbaren Darbietung nicht gestört hat: Ein Wiederhören mit dieser mir bisher völlig unbekannten polnischen Sängerin würde mich freuen. Ebenfalls die ersten Minuten zum „Einsingen“ brauchte Aleš Briscein in der Rolle des Prinzen. Seine metallische, „tschechische“, leicht wiedererkennbare Stimme gefällt mir ja generell sehr gut, aber zu Beginn schien er mir noch nicht wirklich in der Rolle angekommen, da wirkte sein Gesang leicht fahrig und unschön stilisiert (da ein einzelner Ton zu laut, dort eine Silbe fast unter den Tisch gefallen). Ab „Vím, že jsi kouzlo, které mine“ allerdings war fast alles wunderbar, doch glaube ich, dass er es grundsätzlich noch ein wenig besser könnte als heute.


    Mit Denisa Hamarová, die mich stimmlich entfernt an Iris Vermillion erinnert, war die Ježibaba sehr gut besetzt: Ihre Stimme ist in der Tiefe sehr gut, und sie schreckte nicht davor zurück, in der Höhe leicht unschön, aber effektvoll zu klingen, und das ist hier genau richtig. Ebenfalls sehr gut Jana Kurucová als Fremde-Fürstin-Schreckschraube, wobei man diese Rolle gerne auch verführerischer anlegen kann (aber nicht muss). Pavol Remenár als Jäger und Heger wurde vor Beginn der Aufführung als indisponiert angesagt und klang auch dementsprechend (wenn er gesund ist, kann er es viel besser!); Veronika Bilová als Küchenjunge zeigte eine eher flache, kleine Stimme, man wird also sehen, wie sie sich entwickelt. Unter den drei Nymphen hinterließ Adriana Banásová (zweite Nymphe) den besten Eindruck (Andrea Vizvári war die erste, Terézia Kružliaková die dritte).


    Das bisher Geschriebene skizziert also eine sehr gute Aufführung, doch bedauerlicherweise war Peter Mikuláš der eindeutige Schwachpunkt. Freilich, man kann den Wassermann innerhalb eines breiten Spektrums gestalten, das von „brutal-unbarmherzig“ bis „väterlich-besorgt“ reicht (Mikuláš ist eindeutig näher bei zweiterer Ausrichtung), aber zumindest an wenigen Stellen braucht der Wassermann imposante stimmliche Ressourcen, über die Mikuláš (der 2020 noch ein ganz wunderbarer Wassermann gewesen war) altersbedingt zumindest heute nicht mehr verfügte (oder der eine Tag Pause seit der „Rusalka“ am 14. Sept. war ihm zu kurz). Unter’m Strich blieb heute die Erinnerung an viele wunderbare Auftritte dieses (hierzulande skandalöserweise so wenig bekannten) Sängers und die Freude, dass seine Prachtstimme in den leisen Passagen noch recht gut erhalten ist, was jedoch für die wichtige Rolle des Wassermanns nicht ausreicht.


    Zum Dirigenten Martin Leginus ist zu sagen, dass er grundsätzlich seine Sache passabel erledigte, aber doch mit etwas mehr Feingefühl an das Stück herangehen hätte können: Man soll das Stück nicht im Kitsch ertränken, aber gerade am ersten Akt verschenkte Leginus mehrere Möglichkeiten, die er gefühlvoller gestalten hätte können. Ob es ihm oder der konkreten Musikerin anzulasten war, dass fast alle Passagen der Soloharfe zu hastig gespielt wurden, kann ich allerdings nicht beurteilen. Das Orchester war in Ordnung, ebenso der Chor, wobei das die drei Nymphen nachahmende „stojí měsíc nad vodou“ am Anfang der Oper viel zu laut gesungen war (nicht grundlos steht dort in der Partitur die Angabe „pp“).


    Insgesamt handelte es sich trotz der genannten Mängel um eine sehr gute Aufführung, die ich keinesfalls bereue, besucht zu haben.

  • So., 17. September 2023: WIEN (Staatsoper): Richard Wagner, Tristan und Isolde

    In der aktuellen Wiener „Tristan“-Produktion scheint Andreas Schager den Tristan gepachtet zu haben, was gerne so bleiben kann, weil ein besserer Interpret dieser so herausfordernden Rolle wohl nicht gefunden werden kann. In meinem Bericht zur Aufführung am 20. Feb. 2023 nannte ich Schager „für den Tristan eine ganz phantastische Idealbesetzung“ und schrieb: „Mit seiner lauten, enorm kraftvollen, gleichzeitig sehr schönen und hellen Stimme gestaltete er diese mörderische Partie mit nahezu unendlich scheinenden Kraftreserven, da kann ich nur den Hut ziehen.“ Allerdings muss ich für die heutige Aufführung wenige Abstriche machen, denn obwohl Schager insgesamt eine hervorragende Leistung erbrachte, war sie nicht so gut wie im Februar: Heute bemerkte ich im ersten Akt bei zurückgenommener Stimme (ab „Von meiner Herrin? Ihr gehorsam…“) ein viel zu starkes Vibrato der Stimme, das schon näher beim „Wobble“ anzusiedeln ist und sich nicht gesund anhörte; im zweiten und dritten Akt war davon nichts zu merken, dafür klang Schager doch bisweilen etwas angestrengt, im dritten Akt riss ihm auch ein Ton ab (bei „Brennt sie ewig, diese Leuchte“). Es wäre zu wünschen, dass die heutige (insgesamt dennoch wirklich sehr gute!) Leistung nicht als Vorbote stimmlicher Verschleißerscheinungen dieses mit einem wunderbaren Stimmmaterial ausgestatteten Sängers verstanden werden muss.


    Mit Anja Kampe stellte sich eine für Wien neue Isolde vor, deren Stimme ganz anders als die ihrer Rollenvorgängerin Nina Stemme ist: Kampe hat eine helle, bisweilen fast schon schneidende Stimme, die zwar in der Höhe dazu tendiert, schrill zu werden, aber erstens ist das als Isolde verständlich und zweitens war es nicht wirklich störend, sodass sich Kampe sehr gut aus der Affäre zog, ohne bei mir einen besonders nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. Tanja Ariane Baumgartner war mit ihrer dunklen, irgendwie „sinnlich“ timbrierten Stimme eine sehr gute Brangäne und weckte Vorfreude auf ihre kommende „FroSch“-Amme. Die beiden weiteren Herren konnten mit diesem Niveau leider nicht mithalten: Iain Paterson war nicht nur im vergangenen Februar, sondern auch heute ein Kurwenal, der quasi so war, als ob er gar nicht gewesen wäre (die Stimme klingt so ohne Sitz bzw. Fundament), und Günther Groissböck fehlt es auch als Marke sowohl in der Höhe als auch in der Tiefe, wobei seiner meiner Meinung nach eher lyrischen (aber mit „Gewalt“ auf Kraft getrimmten) Stimme diese Rolle deutlich besser entgegenkommt als etwa der Peneios.


    Unter den kleinen Rollen hinterließ Katleho Mokhoabane (Stimme des jungen Seemanns) eindeutig den besten Eindruck; Hiroshi Amako (Hirt) war in Ordnung; schwach hingegen Martin Häßler (Melot) und Jusung Gabriel Park (Steuermann). Das Orchester unter Philippe Jordan war in guter Form; in den Pausen hörte ich mehrmals, dass Jordan das Orchester zu laut spielen ließ, was ich aber nicht finde. Die Inszenierung von Calixto Bieito (Bühne von Rebecca Ringst; Kostüme von Ingo Krügler), zu der ich mich im obengenannten Bericht vom 20. Feb. 2023 näher geäußert habe, fand ich heute beim zweiten Anschauen ganz so übel nicht. Freilich, insgesamt finde ich sie misslungen (weil langweilig), aber ich kann ihr auch erfreuliche Aspekte abgewinnen: Im ersten Akt wird durch Gesten und Berührungen sichtbar, dass Tristan und Isolde früher heimlich ineinander verliebt waren, das gewalttätige Zerstören der Einrichtung im zweiten Akt passt zum ekstatischen Liebesverlangen, und das Gerümpel-Chaos des dritten Aktes symbolisiert wohl die Gefühlswelt von Tristan; schön fand ich auch, dass sich Isolde nach Tristans Tod zu ihm auf die Matratze legte. Aber auch wenn ich zur Kenntnis nehme, dass sich Bieito so manches dabei gedacht hat, gefällt mir die Produktion nicht.

  • Mo., 18. September 2023: WIEN (Staatsoper): Richard Strauss, Daphne

    Etwa so wie die beiden vorangehenden Vorstellungen ging heute die dritte „Daphne“ über die Staatsopernbühne: Vera-Lotte Boecker konnte auch heute aufgrund einer hervorragend gesungenen Daphne einen großen Erfolg verbuchen; dafür klangen die beiden Tenöre (David Butt Philip und Daniel Jenz) leicht erschöpft, und obwohl sie sich hörbar Mühe gaben und gute Sänger sind, halte ich sie in den anspruchsvollen Rollen des Apollo und Leukippos bedauerlicherweise eher für Notlösungen (das ist nicht ihre Schuld, sondern die des Besetzungsbüros). Noa Beinart war nach wie vor eine solide und unauffällige Gaea, dafür lag die heutige Leistung von Günther Groissböck näher bei der vom 12. September als bei jener vom 15. September. Unter den Sängern der kleinen Rollen stach Norbert Ernst als zweiter Schäfer angenehm hervor (nicht zuletzt in Anbetracht dessen, dass ich mir kürzlich wieder einmal den Mitschnitt von 2004 angehört habe und seitdem Benedikt Kobel als zweiten Schäfer im Ohr habe…); Sebastian Weigle dirigierte auch heute hervorragend. Schade, dass ich die vierte = letzte Aufführung der aktuellen Serie nicht besuchen kann und dieses kostbare Werk des späten Richard Strauss wohl wieder einige Jahre in der Versenkung verschwinden wird.

  • Heute bemerkte ich im ersten Akt bei zurückgenommener Stimme (ab „Von meiner Herrin? Ihr gehorsam…“) ein viel zu starkes Vibrato der Stimme, das schon näher beim „Wobble“ anzusiedeln ist und sich nicht gesund anhörte; im zweiten und dritten Akt war davon nichts zu merken, dafür klang Schager doch bisweilen etwas angestrengt, im dritten Akt riss ihm auch ein Ton ab (bei „Brennt sie ewig, diese Leuchte“). Es wäre zu wünschen, dass die heutige (insgesamt dennoch wirklich sehr gute!) Leistung nicht als Vorbote stimmlicher Verschleißerscheinungen dieses mit einem wunderbaren Stimmmaterial ausgestatteten Sängers verstanden werden muss.

  • Dieser Meinung bin ich ganz und gar nicht (in jedem Beruf muss man damit rechnen, kritisiert zu werden, auch von Laien). Und worin besteht genau dieses "Wettern"?

    Aber in kaum einem anderen Beruf glaubt ein Laie, seine Kritik verschriftlichen zu müssen. Na immerhin bezeichnen Sie sich als Laie. Das ist ja mal ein Anfang.

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